Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. kraft Gesetzes zulässige Berufung. unrichtige Rechtsmittelbelehrung: Nichtzulassung der Berufung. keine Umdeutung: nicht gebotene Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung. Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Zur unrichtigen Rechtsmittelbelehrung durch das Sozialgericht, mit der es die Berufung nicht zugelassen hat, obwohl diese von Gesetzes wegen statthaft ist.
2. Die aufgrund einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung nicht gebotene Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht in eine Berufung umgedeutet werden; es bedarf der (separaten) Einlegung der Berufung.
Orientierungssatz
Dem Anspruch in dem Urteil des SG, dass die Berufung nicht zugelassen werde, kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Auch wenn der Kläger daher nicht gehindert war (und weiterhin ist), sogleich Berufung einzulegen, entfällt hierdurch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtzulassungsbeschwerde.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. September 2015 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt L., K., beigeordnet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 29.09.2015.
Mit Bescheid vom 20.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2015 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erstattung von Umzugskosten in Höhe von 654,50 €, die für die Inanspruchnahme einer Umzugsfirma angefallen waren, ab. Mit der dagegen erhobenen Klage zum SG hat der Kläger die Erstattung dieser Kosten weiter geltend gemacht und zuletzt schriftsätzlich die “Übernahme aller Wohnungsbeschaffungskosten gemäß beiliegender Anlage D„ beantragt. Die in der bezeichneten Anlage D aufgelisteten Umzugskosten, die neben den Kosten der Umzugsfirma eigene Auslagen des Klägers für unternommene Fahrten umfassen, belaufen sich auf insgesamt 938,50 €. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung des SG am 29.09.2015 ist der Kläger persönlich mit Zustellungsurkunde (28.05.2015) geladen worden. Unter dem 22.09.2015 hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen legitimiert und die Verlegung des Verhandlungstermins wegen anderweitiger Termine beantragt, was vom SG unter Hinweis auf die erfolgte persönliche Ladung des Klägers abgelehnt worden ist. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015, bei der der Kläger nicht erschienen und auch nicht vertreten war, hat das SG die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage, mit welcher der Kläger “sachdienlich gefasst„ die Übernahme von Umzugskosten von 654,50 € begehre, sei unbegründet. Anlass, die Berufung zuzulassen, bestehe nicht. In der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung wird über die Möglichkeit der Einlegung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung belehrt. Im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg macht der Kläger geltend, die Entscheidung des SG sei rechts- und verfahrensfehlerhaft. Er habe zuletzt beantragt, den Beklagten zur Übernahme der gesamten Umzugs- und Wohnungsbeschaffungskosten in Höhe von 938,50 € zu verurteilen. Dieser Antrag sei als Klageerweiterung auszulegen und keiner als sachdienlich bezeichneten Antragsauslegung zugänglich. Das SG “unterschlage„ somit einen Teil der geltend gemachten Kosten für die unternommenen 15 Fahrten des Klägers zwischen dem alten und dem neuen Wohnort. Unter Berücksichtigung dieser Kosten übersteige die Beschwer den Beschwerdewert von 750,00 €.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des SG über die Nichtzulassung der Berufung. Die Berufung ist kraft Gesetzes nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Nach § 145 Abs. 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2).
Im vorliegenden Fall ist das SG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Berufung der Zulassung bedarf. Denn es hat über wesentliche Teile des Streitgegenstandes, nämlich die geltend gemachten weiteren Wohnungsbeschaffungskosten des Klägers, in der Sache nicht entschieden. Dies stellt einen Verfahrensfehler dar. Nach § 123 SGG entscheidet ...