Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. einstweilige Anordnung. wiederholter Antrag. Rechtskraft eines vorhergehenden Ablehnungsbeschlusses. Ausnahme
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig als unbegründet abgelehnt worden, steht einem erneuten Antrag die Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses entgegen. Ein erneuter Antrag kann nur auf neue Tatsachen gestützt werden, die nach der früheren Entscheidung entstanden sind und eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts F. vom 22. Mai 2018 (Ablehnung einer einstweiligen Anordnung) wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I. Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
1. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Absatz 1, für Vornahmesachen in Absatz 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG). Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 2. Alt. SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf mithin nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - ≪juris≫ unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫; z.B. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - ≪juris Rdnr. 25≫; BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 - 1 BvR 1910/12 - ≪juris Rdnr. 12≫). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen angesichts des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) umso eingehender zu prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist (BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 BvR 2366/12 - ≪juris Rdnr. 3≫; BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2018 - 1 BvR 733/18 - ≪juris Rdnr. 4≫). Ist im Eilverfahren eine dem Ausmaß der drohenden Grundrechtsverletzung Rechnung tragende Klärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes anstelle einer abschließenden Prüfung eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers durchzuführen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 a.a.O. ≪Rdnr. 26≫;