Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme von medizinischer Behandlungspflege im Rahmen vollstationärer Pflege. Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 43 Abs 2 SGB 11. keine Ungleichbehandlung hinsichtlich Kostenübernahme bei häuslicher Pflege
Orientierungssatz
1. Bei einer medizinischen Behandlungspflege (hier: Beatmungspflege) im Rahmen vollstationärer Pflege, die durch fachlich qualifizierte Krankenpflegekräfte zu verrichten ist, scheidet die Leistungspflicht der Krankenkasse aus.
2. Die Regelung des § 43 Abs 2 SGB 11, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, denn es obliegt dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, zu bestimmen, welche Kosten von dem jeweils zu gewährenden Höchstbetrag bei vollstationärer Pflege abgedeckt werden sollen und somit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließen (vgl BSG vom 19.2.1998 - B 3 P 3/97 R = BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2).
3. Angesichts der höheren Leistungen aus der Pflegeversicherung bei vollstationärer Pflege stellt es auch keine nach dem Prüfungsmaßstab des Art 3 Abs 1 GG sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, dass bei häuslicher Pflege die ärztlich verordnete notwendige medizinische Behandlungspflege von den Krankenkassen zu übernehmen ist.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes H S (H.S.) Anspruch auf Erstattung der in der Zeit vom 3. Januar bis 8. Juli 1998 entstandenen Kosten der Beatmungspflege von täglich 185,73 DM hat.
Der ... 1923 geborene, ... 1998 verstorbene H.S., der bei der Beklagten versichert war, litt an einem chronischen Guillain-Barre-Syndrom mit Ateminsuffizienz, Steh- und Gehunfähigkeit sowie Inkontinenz. Ab 6. März 1997 wurde bei ihm eine stationäre Rehabilitationsbehandlung im Gesundheitspark B GmbH durchgeführt (vgl. dazu Arztbrief des Chefarztes Priv.-Doz. Dr. G vom 8. August 1997). Am 3. Januar 1998 wurde H.S. im Altenpflegeheim Seniorenheimat S GmbH in G aufgenommen. Dieses Heim war aufgrund einer Pflegesatzkalkulation "Beatmungspatient" vom 14. September 1997 bereit, H.S. im Heim bei einem täglichen Pflegesatz von 467,35 DM zu pflegen und zu betreuen. Im Heimvertrag vom 19. Dezember 1997 wurde ein Entgelt von täglich 230,03 DM zur Abgeltung der Beatmungspflege vereinbart. Nach der Rechnung vom 12. Februar 1998 berechnete das Heim für die Beatmungspflege im Februar 1998 täglich 185,73 DM.
Am 29. Dezember 1997 ließ H.S. bei der Pflegekasse der Beklagten (im folgenden: Pflegekasse) die Übernahme der Kosten für den Aufenthalt in dem Heim beantragen. Aufgrund bereits vorliegender Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Land Brandenburg e. V. (MDK) bewilligte die Pflegekasse H.S. mit Bescheid vom 29. Dezember 1997 Leistungen nach Pflegestufe III des § 15 Abs. 1 Nr. 3 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) für vollstationäre Pflege in Höhe von 2.800,-- DM im Monat. Am 14. Januar 1998 ließ H.S. die Einstufung in Pflegestufe III mit Härteklausel (3.300,-- DM) beantragen. Er machte geltend, der von ihm aufzubringende Eigenanteil der Pflegekosten im Heim betrage (Februar 1998) 7.650,40 DM; dabei sei für die Durchführung der Beatmungspflege ein Betrag von täglich 185,73 DM (im Februar 1998 insgesamt 5.244,-- DM) angefallen. Die Pflegekasse lehnte die Anwendung der Härteklausel des § 43 Abs. 3 SGB XI ab (Bescheid vom 25. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 1998). Mit Urteil vom 24. Februar 2000 (S 4 P 5814/98) verurteilte das Sozialgericht (SG) Stuttgart die Pflegekasse unter Aufhebung der genannten Bescheide, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des H.S. Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Härtefallregelung des § 43 Abs. 3 SGB XI vom 3. Januar bis 8. Juli 1998 zu gewähren. Deswegen ist beim Senat aufgrund einer Berufung der Pflegekasse das Verfahren L 4 P 1072/00 anhängig.
Ebenfalls am 29. Dezember 1997 ließ H.S. bei der Beklagten beantragen, ihm die vom Heim in Rechnung gestellten Kosten für die Beatmungspflege in Höhe von täglich 185,73 DM zu erstatten. Insoweit handle es sich um Krankheitskosten; es liege objektiv eine Intensivkrankenbehandlung vor, mit der die vorhandene Krankheit gelindert bzw. eine Verschlimmerung verhindert werden solle. Es genüge nicht, ihn darauf zu verweisen, dass auftretende notwendige medizinische Behandlungen von der Krankenkasse von Fall zu Fall jeweils bezahlt würden. Denn bei ihm sei der Behandlungsfall der dauerhaften Erkrankung hinsichtlich der Atmungsfähigkeit gegeben. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. April 1998 ab. Da H.S. seit 2. Januar 1998 vollstationär nach § 43 SGB XI untergebracht sei, ruhten die Leistungen der Behandlungspflege nach § 37 SGB V in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis 31. Dezember 1999. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte H.S. geltend, der Umstand, dass er sich in einem Pfleg...