Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Nachfolgezulassung. Berufungsausschuss. Einholung eines Gutachtens zur Höhe des Verkehrswertes. Überprüfung. Sachentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Berufungsausschuss ist befugt, ein Gutachten zur Höhe des Verkehrswerts einer fortzuführenden Praxis auch dann einzuholen, wenn sich der abgebende Arzt mit allen Bewerbern auf einen Kaufpreis bereits geeinigt hat.
2. Die Rechtmäßigkeit einzelner Verfahrenshandlungen des Berufungsausschusses (hier: die Einholung eines Gutachtens) kann nur mit dem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung überprüft werden.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Nr. 4 bis 10.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.
Gründe
Streitig ist, ob der Antragsgegner vor der Auswahl eines Praxisnachfolgers ein Gutachten zur Feststellung des Wertes der Praxis der Antragstellerin einholen darf.
Die am ... 1952 geborene Antragstellerin ist seit April 1999 als Psychologische Psychotherapeutin zur Teilnahme an der ambulanten vertragspsychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen und besitzt die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie. Für den Planungsbereich T., in dem sich ihr Vertragsarztsitz befindet, wurde für die Fachgruppe der Psychologischen Psychotherapeuten wegen Überversorgung von ca. 600% vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Zulassungsbeschränkung angeordnet.
Die Antragstellerin ist aus persönlichen Gründen am 01.08.2007 nach N.-W. umgezogen. Sie hatte zuvor am 15.08.2006 ihren Verzicht auf die Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin zum 31.12.2006 unter dem Vorbehalt erklärt, dass ein Praxisnachfolger ihre Zulassung erhält, und gleichzeitig die Ausschreibung ihres Kassenarztsitzes beantragt. Um den ausgeschriebenen Psychotherapeutensitz bewerben sich u. a. die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3.
Die Antragstellerin schloss mit den Beigeladenen Ziff. 2 und 3 Praxisübergabeverträge für den Fall einer Zulassung ab und vereinbarte dabei (mündlich) einen Kaufpreis von 45.000,00 €. Mit der Beigeladenen Ziff. 1 kam ein Praxisübergabevertrag zunächst nicht zustande, weil diese den geforderten Verkaufspreis als überhöht ablehnte.
In seiner Sitzung am 30.01.2007 beschloss der Zulassungsausschuss, die Beigeladene Ziff. 1 zur Fortführung der Praxis der Antragstellerin auszuwählen, die Entscheidung über ihre Zulassung zu vertagen und die Anträge auf Auswahl und Zulassung der weiteren Bewerber zum Zwecke der Fortführung der Praxis abzulehnen. Zur Begründung ist im Bescheid vom 01.02.2007 ausgeführt, unter Berücksichtigung der verschiedenen fachlichen Kriterien sei die Beigeladene Ziff. 1 die am besten geeignete Bewerberin zur Fortführung der Praxis. Allerdings sei ein Vorvertrag zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen Ziff. 1 nicht zustande gekommen, da dieser die geforderte Kaufpreissumme (45.000,00 €) zu hoch schien. Auch dem Zulassungsausschuss scheine diese Summe zu hoch. Da die Beigeladene Ziff. 1 jedoch bereit sei, mindestens den Verkehrswert zu zahlen und die Interessen der Antragstellerin gemäß § 103 Abs. 4 Satz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) nur insoweit zu berücksichtigen seien, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteige, habe die Beigeladene Ziff. 1 ausgewählt werden müssen.
Gegen diese Entscheidung legten die Antragstellerin sowie die Beigeladenen Ziff. 2 und 3 Widerspruch ein. Die Antragstellerin führte zur Begründung ihres Widerspruchs aus, sie habe wegen des Kaufpreises ein Gutachten in Auftrag gegeben. In diesem anschließend vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Kaufmann B. vom 03.05.2007 sei der Wert der Praxis mit insgesamt 56.404,00 € beziffert worden (davon materieller Praxiswert 3.305,00 € und immaterieller Praxiswert 53.099,00 €). Die Beigeladene Ziff. 4 vertrat demgegenüber unter Kritik dieses Gutachtens die Auffassung, der Gesamtwert der Praxis betrage (höchstens) etwa 20.000,00 €.
Der Antragsgegner verhandelte in der Sitzung vom 12.06.2007 über die Widersprüche. Ausweislich des darüber erstellten Protokolls vom 14.06.2007 wurde zunächst das Problem der Verkehrswertfeststellung diskutiert und danach die Sitzung unterbrochen. Anschließend teilte die Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, die Beteiligten hätten sich in der Sitzungspause auf einen Verkehrswert in Höhe von 40.000,00 € geeinigt. Der Antragsgegner unterbrach daraufhin die Sitzung für eine Zwischenberatung. Danach wurde den Beteiligten vom Vorsitzenden mündlich mitgeteilt, ein Verkehrswert von 40.000,00 € könne nicht als angemessen im Sinne von § 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V angesehen werden. Er teilte daraufhin den Beteiligten mit, dass
1. wegen der...