Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Abgrenzung: Prozesskostenhilfe. "hinreichende Erfolgsaussicht". Revisionszulassungsgrund. "grundsätzliche Bedeutung"
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsbegriffe der "grundsätzlichen Bedeutung" im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und der "hinreichenden Erfolgsaussicht" im Sinne des § 114 S 1 ZPO, auf den § 73a Abs 1 S 1 SGG verweist, sind nicht deckungsgleich. Deshalb kann die für die Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht verneint werden, ohne zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gegeben sind (hier: Klage auf Gewährung höheren Leistungen nach dem SGB 2 wegen geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der seit 1.1.2011 geltenden Regelsätze; vgl LSG München vom 27.5.2011- L 7 AS 342/11 B PKH - veröffentlicht in Juris).
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 1. September 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg; das Sozialgericht Freiburg (SG) hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das durch den (mit der Berufung [L 13 AL 4270/11] angefochtenen) Gerichtsbescheid vom 26. August 2011 abgeschlossene Klageverfahren erster Instanz (S 2 AS 3261/11) zu Recht abgelehnt.
Die Beschwerde ist zwar statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anwendbaren mit Wirkung vom 11. August 2010 in Kraft getretenen Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 [BGBl. I S. 1127]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG greift nicht ein, da das SG seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat.
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das SG die für die Bewilligung von PKH erforderliche Erfolgsaussicht zu Recht verneint. Nach der hier nur vorzunehmenden summarischen Prüfung erweisen sich die mit Klage und Berufung angegriffenen Bewilligungsbescheide des Beklagten als rechtmäßig und die Klägerin nicht in subjektiven Rechten verletzend. Die von der Klägerin allein angegriffene Höhe des Regelsatzes begegnet zur vollen Überzeugung des Senats keinen rechtlichen, insbesondere keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Klägerin hat deshalb aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf höhere Leistungen unter Zugrundelegung eines höheren oder erst neu zu ermittelnden Regelsatzes. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat in seinem Beschluss vom 27. Mai 2011 (L 7 AS 342/11 B PKH - veröffentlicht in Juris), dem in der Hauptsache ebenfalls ein Rechts...