Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussicht. Bewilligungsreife. Zeitpunkt. Prozessbeendigung des Hauptsacheverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Antrags.
2. Bewilligungsreife tritt ein, wenn alle für die Bewilligung von PKH erforderlichen Unterlagen, insbesondere der vollständig ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege vorgelegt sind und der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat.
3. PKH ist noch zu gewähren, wenn die Bewilligungsreife zeitgleich mit der Prozessbeendigung des Hauptsacheverfahrens eintritt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. September 2008 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (Az.: S 7 AS 5535/07) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin K., St.-B., bewilligt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. September 2008, mit welchem ihr am 19. November 2007 gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre gleichfalls am 19. November 2007 erhobene Klage (Az.: S 7 AS 5535/07) unter der Begründung abgelehnt wurde, die Klage biete keine Aussicht auf Erfolg mehr.
Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH zu Unrecht abgelehnt.
PKH erhält auf Antrag gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 114 Zivilprozessordnung (ZPO), wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn der Rechtsstandpunkt des klagenden Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für das Gericht zumindest als vertretbar erscheint und es von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, 2008, § 73a, Rn. 7 a). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist vorliegend der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrags (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2009, Az.: L 13 AL 3880/07 PKH-B).
Bewilligungsreife tritt frühestens dann ein, wenn alle für die Bewilligung der PKH erforderlichen Unterlagen vorgelegt sind, insbesondere der vollständig ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege (vgl. §§ 117 Abs. 2 und 4 ZPO), und der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2009, Az.: L 13 AL 3880/07 PKH-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Mai 2008, Az.: L 10 B 184/08 AS PKH; LSG Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 26. September 2005, Az.: L 17 B 36/05 U). Macht das Gericht von der in § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingeräumten Befugnis, eine Glaubhaftmachung der tatsächlichen Angaben zu verlangen, ermessensfehlerfrei Gebrauch, tritt Bewilligungsreife hingegen erst dann ein, wenn die Glaubhaftmachung erfolgt ist.
Das SG hat die Klägerin zu Recht dazu aufgefordert, den aktuellen Arbeitslosengeld II-Bescheid sowie den Bewilligungsbescheid des Landratsamtes einschließlich der zugehörigen Berechnungsbögen zu übersenden. Nachdem die Klägerin am 11. August 2008 den aktuellen Bescheid der Agentur für Arbeit vorgelegt hatte, ist mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. September 2008, beim SG eingegangen am 15. September 2008, auch der Bescheid des Landkreises Karlsruhe über die Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung vorgelegt worden. Erst mit dieser Vorlage ist das PKH-Gesuch bewilligungsreif geworden.
Soweit bereits mit der Stellung des PKH-Antrages am 21. November 2007 eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nebst Belegen für die hierin getätigten Angaben vorgelegt worden ist, vermag der Senat hiermit noch nicht den Eintritt der Bewilligungsreife zu erblicken. So hat die Klägerin in ihren Angaben betreffend „anderer Einnahmen“ angeführt, dass sie „Alg II“ und Leistungen des „LRA“ beziehe und hierzu Bezug auf Anlage 2 und 3 genommen. Jedoch lassen die Anlagen 2 und 3 -Kontoauszüge- mit den dort aufgeführten Zahlungseingängen keinen direkten Rückschluss auf den rechtlichen Hintergrund der Leistungen zu. Da überdies die jeweilige Wertstellung der Gutschriften auf den 30. bzw. 31. Juli 2007 datieren, mithin zum Zeitpunkt der Vorlage der Kontoauszüge bereits länger als drei Monate zurück lag, waren die persönlich...