Leitsatz (amtlich)
1. Ein nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherter Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit unterscheidet sich von einem nach § 8 Abs. 1 SGB VII zu beurteilenden Beriebsweg dadurch, dass er der versicherten Tätigkeit lediglich unmittelbar vorangeht oder sich ihr anschließt.
2. Das Verlassen des Arbeitsplatzes, um "frische Luft zu zu schnappen" oder nach dem Fahrrad, mit dem der Weg zum Arbeitsplatz zurückgelegt wurde und das gelegentlich für betriebliche Zwecke genutzt wird, zu sehen, stellt eine erhebliche Unterbrechung der versicherten Tätigkeit dar.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall streitig.
Die im Jahr 1965 geborene Klägerin ist als Verwaltungsmitarbeiterin bei der Volkshochschule A. beschäftigt. Nach den gegenüber der Beklagten gemachten telefonischen Angaben ihrer Vorgesetzten befand sich die Klägerin am Samstag, den 29.06.2013, im Verwaltungsgebäude einer Sparkasse, in dem sich auch Büroräume der Volkshochschule A. befinden. Sie habe dort nach dem Wochenende beginnende Kurse vorbereiten wollen. Sie habe sich mit zwei Ordnern vom zweiten Stock zu dem zum Parkplatz der Sparkasse führenden Hinterausgang begeben, um nach ihrem Fahrrad zu schauen. Dabei sei die Türe ins Schloss gefallen. Da sie für diese Türe keinen Schlüssel gehabt habe und es für sie auch nicht möglich gewesen sei, den umzäunten Parkplatz der Sparkasse zu verlassen, habe sie versucht, über den Zaun zu klettern. Dabei habe sie sich an einem Finger verletzt. In der sodann aufgrund der Schilderungen der Klägerin gefertigten Unfallanzeige hat die Volkshochschule A. ergänzend ausgeführt, die Klägerin habe das Gebäude für einen Moment durch den als Fluchtweg dienenden Seiteneingang verlassen wollen, um “frische Luft zu schnappen„. Im weiteren Verlauf gab die Klägerin an, als sie, sich noch im Treppenhaus befindend, bemerkt habe, dass draußen Wind aufgekommen sei und es zu regnen begonnen habe, habe sie nach ihrem an einem unüberdachten Fahrradständer abgestellten Fahrrad, mit dem sie gekommen sei, schauen wollen, um dieses eventuell ins Trockene zu stellen.
Nach den Angaben des B.-Klinikums A.-G. zog sich die Klägerin bei dem Unfall eine Amputation des Endglieds des rechten Ringfingers zu.
Mit Bescheid vom 09.08.2013 lehnte die Beklagte die Feststellung des Ereignisses vom 29.06.2013 als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, dass sie sich auf einem aus rein eigenwirtschaftlichen Gründen zurückgelegten Weg befunden habe. Zum Unfallzeitpunkt habe sich die Klägerin bereits von der versicherten Tätigkeit gelöst und sich einer unversicherten Tätigkeit zugewandt, welche dem persönlichen Lebensbereich eines Beschäftigten zuzurechnen und von der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit zu weit entfernt sei, als dass sie dieser zugerechnet werden könnte. Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, sie sei bei dem Versuch verunglückt, wieder an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Ob das Verlassen des Gebäudes einer privaten Verrichtung gedient habe, könne dahinstehen. Denn jedenfalls habe sie sich ab dem Zeitpunkt, als die Tür zum Gebäude zugefallen sei, ausschließlich einer ganz und gar betriebsbezogenen Tätigkeit zugewandt, nämlich dem Wiedererreichen ihres Arbeitsplatzes. Darüber hinaus habe sie sich am Unfalltag alleine im Verwaltungsgebäude befunden und daher die ausschließliche betriebsbezogene Verantwortung gehabt, sich um die Verhältnisse vor Ort zu kümmern. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die von der Klägerin verfolgte Absicht zur Sicherung ihres Eigentums sei dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Es handele sich auch nicht um einen Sachverhalt, der als Wegeunfall zu beurteilen sei. Der vorliegende Sachverhalt sei vielmehr unter dem rechtlichen Aspekt eines Betriebsweges zu beurteilen.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.01.2014 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie habe ihr Fahrrad seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Volkshochschule A. auch dienstlich genutzt, nämlich zu Botenfahrten in die beiden anderen Niederlassungen der Volkshochschule, zur Post und zur Buchhandlung. Daher habe die Nachschau nach dem Fahrrad wesentlich auch dienstlichen Zwecken gedient. Selbst wenn man wie die Beklagte davon ausgehe, dass sie ihre dienstliche Tätigkeit zu Gunsten einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit unterbrochen habe, so wäre diese Unterbrechung nach Zweck, Inhalt und Dauer so unerheblich, dass sie keinerlei Zäsur in der betrieblichen Beschäftigung bedeutete. Komme man schließlich mit der Beklagten zu dem Schluss, dass es sich einerseits um eine privatwirtschaftliche Tätigkeit und andererseits um eine erhebliche Unterbrechung gehandelt habe, so hätte sich der Unfall auf einem Betriebs- oder Dien...