Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Bedarfsplanung. Nachbesetzung der Stelle eines angestellten Arztes nur mit einem Arzt derselben Arztgruppe. Fachärzte für Chirurgie und Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie bilden getrennte Arztgruppen. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Stelle eines angestellten Arztes kann bei Vorliegen von Zugangsbeschränkungen nur mit einem Arzt derselben Arztgruppe iS des Bedarfsplanungsrechts nachbesetzt werden.
2. Fachärzte für Orthopädie und Chirurgie gehören einer anderen Arztgruppe an als Chirurgen.
Orientierungssatz
Nach dem eindeutigen Wortlaut findet § 16 BPl-RL (juris: ÄBedarfsplRL) nur Anwendung im Fall der Praxisnachfolge und nicht im Fall der Genehmigung der Nachbesetzung eines angestellten Arztes. Gründe für die Verfassungswidrigkeit einer (fehlenden) Regelung sind nicht ersichtlich.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. November 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe
I.
Die Kläger begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Genehmigung, den Beigeladenen zu 4) in ihrer Praxis als Angestellten im Rahmen der Anstellungsnachfolge zu beschäftigen.
Die Klägerin zu 1) ist Fachärztin für Chirurgie, der Kläger zu 2) ist Facharzt für Orthopädie und Chirurgie mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie. Sie bilden eine Berufsausübungsgemeinschaft - die Klägerin zu 3) - und sind mit Sitz in E. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Dr. H. B., der im Folgenden Beigeladene zu 4), ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Zusatzbezeichnung “spezielle Unfallchirurgie„. Sowohl für die Arztgruppe der Chirurgen als auch der Orthopäden ist der Planungsbereich Landkreis E. wegen Überversorgung gesperrt.
Auf den Antrag der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) vom 24.02.2014 genehmigte der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk St. (ZA) - der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) mit Beschluss vom 19.03.2014 den Beigeladenen zu 4), der bei der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) vom 01.10.2013 befristet bis zum Ablauf des 31.03.2014 als genehmigter Sicherstellungsassistent beschäftigt war, mit Wirkung vom 01.04.2014 als angestellten Arzt zu beschäftigen. Die Genehmigung erfolgte im Rahmen der Nachbesetzung für eine Arztstelle, welche ursprünglich durch Verzicht des Herrn M. L., Facharzt für Chirurgie mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie (im Folgenden L.), gemäß § 103 Abs. 4b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu Gunsten einer Anstellung in der Praxis der Kläger entstanden war. Das Angestelltenverhältnis von L. war zum 31.12.2013 beendet worden. Zur Begründung wurde auf das vergleichbare Leistungsspektrum des L. und des Beigeladenen zu 4) verwiesen.
Gegen den ihr am 04.08.2014 zugestellten Beschluss richtete sich der Widerspruch der Beigeladenen zu 1) vom 02.09.2014, den sie damit begründete, dass eine Nachbesetzung der Angestelltenstelle des L. durch den Beigeladenen zu 4) mangels Fachidentität und mangels ausreichender Identität der Leistungen ausgeschlossen sei. Auf die Anträge der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) erteilte die Beigeladene zu 1) mit Bescheiden vom 19.09.2014, 23.09.2014 und 13.11.2014 der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) die widerruflichen Genehmigungen, den Beigeladenen zu 4) als Sicherstellungsassistent zur Vermeidung unbilliger Härte aus Sicherstellungsgründen vom 19.09.2014 bis längstens 31.12.2015 zu beschäftigen.
Mit Beschluss vom 22.10.2014 hob der Beklagte den Beschluss des ZA vom 19.03.2014 auf und lehnte den Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 4) als angestellter Arzt mit Wirkung zum 01.04.2014 in der Vertragsarztpraxis der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) ab. In den schriftlichen Gründen führte er aus, die rechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Nachfolgebesetzung einer chirurgischen Stelle mit einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie seien nicht erfüllt. Orthopäden seien auch mit der Erweiterung auf die Unfallchirurgie einer gegenüber den Chirurgen unterschiedlichen Arztgruppe zugeordnet. Die Nachbesetzung einer Arztstelle gemäß § 103 Abs. 4b SGB V könne grundsätzlich nur mit einem Arzt derselben Arztgruppe im Sinne des Bedarfsplanungsrechts erfolgen. Dies ergebe sich daraus, dass die Vorschrift eine Sonderregelung für ausnahmsweise Zulassungen bei Überversorgung nach § 103 Abs. 1 bis 3 SGB V darstelle. Ohne die Bindung an die Arztgruppe des ausscheidenden Arztes hätte die Nachbesetzung erhebliche Verwerfungen in der Bedarfsplanung zur Folge. Dies habe der Gesetzgeber bewusst vermeiden wollen. Dies folge auch aus der Verwendung des Begriffs der “Nachbesetzung„ (Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 02.07.2014 - B 6 KA 23/13 R -, in juris). Die Vor...