Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen Versagungsverfügung. Statthaftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes. Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Aufrechnung mittels Formal-Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 39 Nr 1 SGB 2 haben Widerspruch und Klage gegen eine Versagungsverfügung gemäß § 66 Abs 1 S 1 SGB 1 keine aufschiebende Wirkung. Denn die Entscheidung, beantragte Leistungen zu versagen, steht mit Erlass dem Bescheidungsanspruch des Antragstellers und damit der Gewährung von Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung entgegen.
2. Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht die - offensichtlich rechtswidrige - Versagungsverfügung der Statthaftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht - mehr - entgegen. Eine solche einstweilige Anordnung kann aber nicht ergehen, wenn die Antragsteller einen Anordnungsgrund wegen völlig unzureichender Angaben zur Einkommens- und Vermögenssituation nicht glaubhaft gemacht haben und auch im Übrigen konkrete Umstände für eine Notlage weder dargelegt noch glaubhaft gemacht werden.
3. Die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung (bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs) ist in Bezug auf einen aufrechnenden Verwaltungsakt auszusprechen, auch wenn es sich lediglich um einen Formal-Verwaltungsakt handelt und die Verrechnung als öffentlich-rechtliche Willenserklärung anzusehen ist (vgl Beschluss des Senats vom 19.3.2008 - L 13 AS 1521/08 ER-B -).
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2008 wird geändert.
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragsteller vom 29. August 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. August 2008 hinsichtlich der Erstattungsforderung aufschiebende Wirkung hat.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 29. August 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. August 2008 wird angeordnet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufrechnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. August 2008 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Sozialgericht (SG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung (BGBl. I S. 444) statthaft, da der Beschwerdewert vorliegend 750,-- € (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG n.F.) übersteigt. Die Beschwerde ist auch teilweise begründet.
I.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wegen der geforderten Erstattung im Bescheid vom 18. August 2008 ist als Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 29. August 2008 auszulegen. Denn soweit dieser Widerspruch auf Beseitigung der Erstattungsforderung im Bescheid vom 18. August 2008 abzielt, hat er nach § 86 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG aufschiebende Wirkung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4260/02 ER-B -, vom 25. August 2003 - L 13 AL 2374/03 ER -). Da davon auszugehen ist, dass die Behörde, die - lediglich - hinsichtlich der Aufrechnung mit der Erstattungsforderung den sofortigen Vollzug angeordnet hat, von der sofortigen Vollziehbarkeit der Erstattungsforderung kraft Gesetzes ausgeht, war insoweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs festzustellen. Die Fälligkeit der Erstattungsforderung bleibt hiervon unberührt.
II.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wegen der Versagung von Leistungen für die Zeit ab August 2008 und gegen die im Bescheid vom 18. August 2008 verfügte teilweise Aufhebung der Bewilligung ist auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 29. August 2008 nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gerichtet. Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Klage haben vorliegend nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Es handelt sich bei der Aufhebungsentscheidung im Bescheid vom 18. August 2008 und bei der Versagungsentscheidung vom 20. August 2008 um Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung von Arbeitssuchenden im Sinn dieser Vorschrift (zur Aufhebung vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2007 - L 13 AS 4160/06 ER-B - in Juris; zur Entziehung von Leistungen vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2007 - L 13 AS 4664/07 ER-B - in Juris). Zwar greift die Versagung von Leistungen anders als die Entziehung nicht in bereits gewährte Rechtspositionen ein. Die Entscheidung, beantragte Leistungen zu versagen, steht aber mit Erlass d...