Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Notwendigkeit einer chirurgischen Maßnahme zur Behandlung von Adipositas. Kostenerstattung für eine Magen-Bypass-Operation erst nach Ausschöpfung aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Magen-Bypass-Operation wegen krankhaften Übergewichts besteht in der GKV nur, wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Dazu gehört auch die Durchführung einer 6 bis 12 Monate dauernden ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapie, welche ua Diätmaßnahmen, Schulungen des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie usw umfasst.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten einen Magen-Bypass-Operation (10.271,74 €) zu erstatten hat.

Die am ... Februar 1964 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Seit über 25 Jahren litt die Klägerin an Übergewicht (morbide) Adipositas per magna bei einer Körpergröße von 170 cm und einem Gewicht von 138,8 kg (Body-Mass-Index [BMI] 47 kg/m²; Stand Oktober 2007). Sie litt deshalb an Beschwerden des Bewegungsapparates, an Kurzatmigkeit und an einer reaktiven Depression. Sie ist als Sekretärin in der radiologischen Abteilung des Klinikums L. beschäftigt.

Unter Beifügung der Stellungnahme des Chefarztes (Chirurgie und Unfallchirurgie) des Krankenhauses S. Prof. Dr. W. vom 18. Oktober 2007 beantragte die Klägerin über ihren behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. am 13. November 2007 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine laparoskopische Magen-Bypass-Operation. Prof. Dr. W. führte aus, durch das langjährige massive Übergewicht habe die Klägerin multiple Erkrankungen. Sie leide besonders an Beschwerden des Bewegungsapparates (Verspannungen in der Wirbelsäule und schmerzhafte Probleme in den Füßen) und an Kurzatmigkeit. Bei einem BMI von 47 kg/m² liege eine morbide Adipositas vor, weshalb eine Magen-Bypass-Operation empfohlen werde. Hierdurch komme es zu einer Gewichtsabnahme von 70 bis 75 % des bestehenden Übergewichts. Die vorgeschlagene Operation stelle den Standard der US-Adipositas-Chirurgie dar. Die Adipositas-Anamnese sei mit mehr als 20 Jahren ausreichend lang um eine operative Behandlung in Erwägung zu ziehen. Auch könne die Klägerin auf eine ausreichende Anzahl konservativer Therapieversuche mit ärztlich geleiteten ambulanten Gewichtsreduktionen sowie auf multiple frustrane Versuche zu Gewichtsreduktion verweisen. Sie habe an Kuren, zahlreichen Diäten und Ernährungsberatungen teilgenommen. Leider sei sie nicht in der Lage, ihr Gewicht zu halten und nehme mit Diäten im Sinne des Jo-Jo-Effektes ständig an Gewicht weiter zu. Schwerwiegende Contra-Indikationen lägen nicht vor. Die Kläger legte darüber hinaus die Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Innere Medizin Dr. T. vom 19. Oktober 2007 vor. Danach bestehe aufgrund einer Adipositas per magna die Indikation für einen Magen-Bypass. Als nächst erreichbares geeignetes Krankenhaus gab er “KH S., Chirurgie„ an. Darüber hinaus attestierte er (undatiert) der Klägerin eine Adipositas per magna, wodurch die Klägerin in erheblicher Weise beeinträchtigt sei. Es bestehe insbesondere eine ausgeprägte psychische Belastung mit sozialen Rückzugstendenzen. Die durchgeführten diätetischen Behandlungsstrategien, einschließlich strukturierter Behandlungskonzepte seien nicht erfolgreich gewesen, sodass aus seiner Sicht eine adipositas-chirurgische Intervention sinnvoll sei. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. gab in seinem Attest vom 26. Oktober 2007 an, als Folgeerscheinung der Adipositas sei es zunehmend zu einer reaktiven depressiven Entwicklung gekommen. Bei der Klägerin habe sich eine deutlich gedrückte Grundstimmung gezeigt. Sie habe die verschiedensten Diätformen durchgeführt ohne einen bleibenden Erfolg zu verzeichnen. Eine Essstörung im eigentlichen Sinne liege nicht vor. Sie ernähre sich ganz bewusst, möglichst fettarm mit viel Gemüse und Obst. Heißhungerattacken auf Nahrungsmittel oder Süßigkeiten seien bei der Klägerin nie vorgekommen. Bei normalem Essverhalten ohne Suchttendenzen sei auch eine ambulante psychotherapeutische Behandlung nicht erfolgversprechend. Eine stationäre psychosomatische Behandlung sei bereits in Bad S. durchgeführt worden. Die Klägerin legte zudem eine Aufstellung über ihre Diätversuche der Jahre 1984 bis 2006 sowie das Ernährungsprotokoll für den Monat Oktober 2007 vor (Bl 5 bis 8 der Verwaltungsakte). Sie wies zudem darauf hin, dass sie täglich eine Stunde mit ihrem Hund spazieren gehe und sie ihr Haus und den Garten versorge, wobei sie trotz allem ihr Gewicht nicht dauerhaft unter Kontrolle halten könne. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Dr. A. vom ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge