Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Aufhebung der Leistungsbewilligung bei Änderung der Verhältnisse. Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld beinhaltet nicht die konkludente Aufhebung einer späteren nicht bekannten Bewilligung von Leistungen der vollstationären Pflege. Gegenstand eines Bewilligungsbescheids der Pflegekasse
Leitsatz (amtlich)
1. Hebt die Pflegekasse wegen tatsächlicher Änderung der Verhältnisse die früher erfolgte Bewilligung von Pflegegeld auf und nicht die danach erfolgte Bewilligung von Leistungen der vollstationären Pflege, weil sie bei Erlass des Aufhebungsbescheids von der Bewilligung vollstationärer Pflege keine Kenntnis hatte, kann die Pflegekasse sich nicht darauf berufen, sie habe jedenfalls konkludent (auch) den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen der vollstationären Pflege aufgehoben.
2. Gegenstand eines Bewilligungsbescheids der Pflegekasse, der ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, ist nicht die Feststellung einer Pflegestufe, sondern die Bewilligung einer konkreten Leistung nach dem SGB 11.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. April 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 05. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008 aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 01. März 2008 weiterhin Leistungen wegen vollstationärer Pflege nach Pflegestufe I beanspruchen kann.
Die am … 1924 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als Rentnerin pflegepflichtversichert. Anfang … 2006 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung beantragt, wobei sie auch (Sach-)Leistungen der Evangelischen Sozialstation M.-Süd in Anspruch genommen hatte. Die Beklagte erhob das am 06. März 2006 (Untersuchung am 10. Februar 2006) erstattete Gutachten der Pflegefachkraft B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), in dem als pflegebegründende Diagnose Bewegungseinschränkung des linken Armes bei Zustand nach in Fehlstellung verheilter Fraktur des Schlüsselbeins bei Linkshändigkeit mit Feinmotorikstörung der linken Hand genannt wurde. In dem Gutachten wurde der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege mit 46 Minuten angenommen, nämlich 25 Minuten für die Körperpflege, zehn Minuten für die Ernährung und elf Minuten für die Mobilität. Eine Wiederholungsbegutachtung wurde für Februar 2007 empfohlen. Mit Bescheid vom 09. März 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin ab 01. Januar 2006 häusliche Pflegehilfe durch Vertragspartner nach Pflegestufe I im Umfang von monatlich € 384,00 oder entsprechendes Pflegegeld in Höhe von monatlich € 205,00. Die Beklagte unterrichtete auch die genannte Evangelische Sozialstation M.-Süd über die Bewilligung der entsprechenden häuslichen Pflegehilfe durch Vertragspartner.
Im Februar 2007 veranlasste die Beklagte eine Nachbegutachtung der Klägerin, woraufhin die Pflegefachkraft R. vom MDK das Gutachten vom 14. März 2007 (Untersuchung am 06. März 2007) erstattete. Darin wurde der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege auf 24 Minuten (Körperpflege zehn Minuten, Ernährung zwei Minuten und Mobilität zwölf Minuten) geschätzt. Es wurde ausgeführt, im Vergleich zum Vorgutachten sei eine Stabilisierung des Zustands durch regelmäßige Krankengymnastik eingetreten. Die Zahnpflege und das Kämmen der Haare könne ohne Fremdhilfen bewältigt werden. Im Zusammenhang mit den Toilettengängen sei das Richten der Bekleidung wieder möglich. Die Klägerin ziehe sich derzeit mit großen Mühen am Abend selbst aus, besonders beim Entkleiden des Unterkörpers habe sie Schwierigkeiten, weshalb dabei Hilfen berücksichtigt würden. Weil sie beim Treppensteigen schon mehrmals gestürzt sei, seien hierfür begleitende Hilfen am Morgen und am Abend berücksichtigt worden, obwohl die Klägerin in der Regel ohne Begleitung die Treppen im häuslichen Umfeld überwinde. Unter Beifügung dieses Gutachtens teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 26. März 2007 dann mit, dass nach der am 06. März 2007 durchgeführten erneuten Untersuchung die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr gegeben seien. Vor Einstellung der Pflegeleistung erhielt die Klägerin Gelegenheit, sich zu äußern. Falls bis zum 19. April 2007 keine Nachricht eingehe, werde die Pflegegeldleistung zum 30. April 2007 eingestellt. Im Rahmen dieser Anhörung äußerte sich die Klägerin. Sie reichte auch ein Pflegetagebuch ein. Sie machte geltend, aufgrund eines Sturzes auf der Treppe am 19. Juli 2007 stationär behandelt worden zu sein. Derzeit befinde sie sich im Psychiatrischen Zentrum N. und werde danach direkt in einem Pflegeheim untergebracht. Insoweit wurde die Klägerin ab 20. Juli 2007 im Psychiatrischen Zentrum N. stationär behandelt (vgl. Arztbrief der Chefärztin Dr. A.-P. vom 14. August 2007). Von dort aus wurde die Klä...