Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. qualifizierter Mietspiegel der Stadt Stuttgart. Anwendung des Spannenoberwertes
Leitsatz (amtlich)
1. Der Mietspiegel der Stadt Stuttgart 2007/2008 liefert ein schlüssiges Konzept für die Festlegung der angemessenen Kosten der Unterkunft.
2. Jedenfalls dann, wenn ein Mietspiegel Spannenwerte und nicht Durchschnittswerte ausweist, ist der Spannenoberwert als Grundlage der abstrakten Angemessenheitsprüfung heranzuziehen.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. April 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2008.
Der 1967 geborene Kläger beantragte am 25. Juli 2008 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie die Übernahme der Kosten der Unterkunft. Nach den Angaben des Klägers in der Anlage “KDU„ zum Antrag bewohnt er alleine seit 1. August 2008 eine 60 qm große Wohnung mit 3 Zimmern, für die er monatlich 400,- € Grundmiete und 68,- € monatliche kalte Nebenkosten bezahlt. Der Mietvertrag datiert vom 18. Juli 2008. Die Wohnung wird mit Gas beheizt. Der Kläger legte die Räumungsankündigung seiner bisherigen Wohnung vom 14. Juli 2008 vor, wonach diese am 6. August 2008 geräumt würde. Am 5. August 2008 legte der Kläger des Weiteren die Abschlagsrechnung des Energieversorgers vor. Danach hat er monatlich 84,- € (59,- € Strom, 25,- € Gas) ab 6. September 2008 zu bezahlen.
Für die Stadt Stuttgart ist für die Jahre 2007/2008 ein qualifizierter Mietspiegel erstellt. Dieser ist unterteilt in Baujahre (vor 1975, 1975 bis 1984, 1985 bis 1994, 1995 bis April 2006) und differenziert innerhalb der Baujahresabschnitte nach Ausstattungs- (sehr einfach, einfach, durchschnittlich, gut, sehr gut) und Lagemerkmalen (mit Nachteilen, durchschnittlich, mit Vorteilen). Die Wohnfläche ist in folgende Quadratmetergrenzen aufgeteilt: 30 bis unter 40 m², 40 bis unter 50 m², 50 bis unter 60 m², 60 bis unter 70 m² und 70 m² und mehr). Je Kategorie sind des Weiteren Mietpreisspannen ausgewiesen.
Für die vom Beklagten als Vergleichsmaßstab herangezogenen Wohnungen (Baujahr vor 1975) sind folgende auszugsweise wiedergegebenen Tabellenwerte niedergelegt:
|
Ausstattung |
Lage |
Wohnfläche |
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30 bis unter 40 m² |
40 bis unter 50 m² |
50 bis unter 60 m² |
Einfach |
Mit Nachteilen |
6,10 - 7,70 € |
5,70 - 7,20 € |
5,40 - 6,80 € |
Durchschnittlich |
6,30 - 8,- € |
5,90 - 7,50 € |
5,60 - 7,10 € |
Mit Vorteilen |
6,50 - 8,20 € |
6,10 - 7,80 € |
5,80 - 7,40 € |
Mit Bescheid vom 7. August 2008 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen von monatlich 351,- € sowie Kosten der Unterkunft und Heizung für August 2008 in Höhe von 369,50 € und für die Zeit von September bis Dezember 2008 von monatlich 387,87 €. Die Änderung ab 1. September 2008 begründete der Beklagte mit der Berücksichtigung von Heizkosten (Abschlagsrate Gas abzüglich Energieeigenanteil Warmwasserpauschale 6,63 €). Dem Kläger war zuvor im Rahmen einer persönlichen Vorsprache erklärt worden, dass sich die für ihn geltende Mietobergrenze auf 301,50 € belaufe (45 qm angemessene Wohnfläche x 6,70 € durchschnittliche Miete im unteren Segment je qm).
Gegen den Bewilligungsbescheid legte der Kläger am 11. August 2008 Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, es sei für ihn unvorhersehbar gewesen, seine bisherige Wohnung so schnell räumen zu müssen. Er habe gegen das Räumungsurteil eigentlich gerichtlich vorgehen wollen, was nur durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gescheitert sei. Um seine Obdachlosigkeit zu verhindern, habe er die Gelegenheit ergriffen, die ihm angebotene Wohnung sofort anzumieten. Deshalb habe er auch den Mietvertrag beim Beklagten nicht zur vorherigen Genehmigung vorlegen können. Er beantrage deshalb die Übernahme der vollen Mietkosten sowie der vollen Abschlagszahlungen des Energieversorgers.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Bei der Monatsmiete sei nur die Miete bis zur Mietobergrenze in Höhe von 301,50 € zu berücksichtigen, da er ohne vorherige Zusicherung umgezogen sei. Für die neue Wohnung hätte auch keine Zusicherung erteilt werden können, da die Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien. Soweit beantragt worden sei, auch die vollen Nebenkosten zu bezahlen, könnten die Stromkosten nicht übernommen werden, da nicht mit Strom geheizt würde und deshalb diese Kosten nicht von den Kosten der Unterkunft umfasst seien. Von den Heizungskosten von monatlich 25,- € sei die in der Regelleistung enthaltene Energiepauschale in Höhe von 6,63 € in Abzug zu bringen.
Dagegen hat der Kläger am 29. September 2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung das bereits im Widerspruchsverfahren Vor...