Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Arbeitsvertragsabschluss nach Eröffnung und Kenntnis des Insolvenzverfahrens. keine analoge Anwendung des § 183 Abs 2 SGB 3. Abtretung des Insolvenzgeldanspruchs an Insolvenzverwalter durch Forderungskauf zum Nettolohnpreis zur Vorfinanzierung. Möglichkeit der Erfüllung der Arbeitsentgeltforderungen
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Anspruch auf Insolvenzgeld steht nicht entgegen, dass der Arbeitsvertrag erst im Insolvenzeröffnungsverfahren (nach Insolvenzantrag des Arbeitgebers) abgeschlossen wurde und dem betreffenden Arbeitnehmer der Insolvenzantrag des Arbeitgebers bekannt war. § 183 Abs 2 SGB 3 ist insoweit nicht analog anwendbar.
2. Der Insolvenzverwalter hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld gegen die Agentur für Arbeit aus abgetretenem Recht, wenn er nach der Insolvenzeröffnung den Insolvenzgeldanspruch vom Arbeitnehmer durch Forderungskauf mit einem Kaufpreis in Höhe des zugrundeliegenden Nettolohns zum Zweck der Vorabfinanzierung des Insolvenzgeldes erworben hat, obgleich ihm rechtlich und tatsächlich die Erfüllung des Anspruches auf Arbeitslohn möglich gewesen wäre.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juni 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind Ansprüche auf Insolvenzgeld (InsG) aus abgetretenem Recht streitig.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 15.03.2004 (Az.: 40 IN 59/04) in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma V. International GmbH, S. (V.), - einem Leiharbeitsunternehmen - zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass der V. ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde. Nach diesem Beschluss bedurfte es u. a. zur Wirksamkeit von Verfügungen durch die V. über Gegenstände ihres Vermögens der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters (Klägers). Weiter wurde in diesem Beschluss den Schuldnern der V. verboten, an die V. zu zahlen. Der vorläufigen Insolvenzverwalter (Kläger) wurde ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.
Durch Arbeitsverträge wurden durch V. am 30.03.2004 Frau G. (G.), am 02.04.2004 Frau M. (M.) und am 14.04.2004 Herr S. (S.) als Arbeitnehmer eingestellt. G. war vom 01.04.2004 bis 31.05.2004, M. vom 05.04.2004 bis 24.05.2004 und S. vom 14.04.2004 bis Mitte Mai 2004 für die V. tätig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 01.05.2004 wurde über das Vermögen der V. am 01.05.2004 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt.
Am 26.05.2004 beantragten M. und am 03.06.2004 G. bei der Agentur für Arbeit Konstanz (AA) die Zahlung von InsG jeweils für die Zeit vom 01.04.2004 bis 30.04.2004. Den Anträgen waren Insolvenzgeldbescheinigungen über nicht ausbezahltes Netto-Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.04.2004 bis 30.04.2004 der M. (1160,32 €) und der G. (765,94 €) beigefügt. Außerdem wurde eine Insolvenzgeldbescheinigung für S. über noch nicht ausbezahltes Netto-Arbeitsentgelt (894,44 €) der AA vorgelegt. Ein Insolvenzgeldantrag des S. findet sich nicht. Die Insolvenzgeldbescheinigungen waren vom Kläger ausgestellt und unterschrieben.
Auf Anschreiben des Klägers als Insolvenzverwalter vom 11.06.2004, in denen es heißt:
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“Insolvenzverfahren über das Vermögen der V. |
Sehr geehrte ..., |
Ihre Entlohnung für den April 2004 muss aus der Insolvenzmasse bezahlt werden, da sich das Arbeitsamt weigert, Insolvenzgeld zu entrichten. ..., schlage ich vor, dass Sie mir Ihre Forderung gegen das Arbeitsamt auf Zahlung des Insolvenzgeldes für den Monat April abtreten. Sie erhalten im Gegenzug ihren Nettolohn, sobald Sie das beigefügte Formular unterschrieben zurückgereicht haben.„, |
traten G. am 17.06.2004, M. am 22.06.2004 und S. am 25.06.2004 durch Abtretungsvereinbarungen die ihnen “zustehenden Ansprüche gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Insolvenzgeld für den Monat April 2004 an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der V. International GmbH, Herrn Rechtsanwalt A. H., R., ab. Der Insolvenzverwalter nimmt die Abtretung hiermit an.„
Am 29.06.2004 beantragte der Kläger bei der AA betreffend M., S. und G. die Zahlung von InsG aus abgetretenem Recht in Höhe von insgesamt 2820,70 €. Er legte die Abtretungsvereinbarungen der G. vom 17.06.2004, der M. vom 22.06.2004 und des S. vom 25.06.2004 vor.
Mit Bescheid vom 01.07.2004 lehnte die AA den Antrag des Klägers auf InsG für Dritte ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeitsverträge den Arbeitnehmern bekannt gewesen sei, dass aufgrund der bevorstehenden Insolvenz eine Entgeltzahlung nicht erfolgen könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.07.2004 Widerspruch. Er machte zur Begründung geltend, die vertretene Rechtsauffassung sei unrichti...