Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldanspruch. Auslandsentsendung. Ausstrahlungswirkung. hinreichender Inlandsbezug. Inanspruchnahme von Elternzeit. keine Ausübung von Beschäftigung. Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Verfassungsrecht. Territorialitätsprinzip. Wohnsitz im Ausland. Anspruch auf Arbeitsentgelt. Ungleichbehandlung. Sozialstaatsprinzip. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Leitsatz (amtlich)
Während der Elternzeit ist der Tatbestand der Entsendung iSd § 4 SGB IV nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet und deshalb keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber hat.
Orientierungssatz
Hierin liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nach Art 3 GG und auch kein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG oder Art 20 Abs 1 GG (Sozialstaatsprinzip).
Normenkette
BEEG § 1 Abs. 1-2; SGB IV § 4; SGB I § 30 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.10.2016 wird zurückgewiesen
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Elterngeld für seinen am 25.07.2015 geborenen Sohn A. (A).
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist bei der D. G. GmbH (im Folgenden: G. GmbH) mit Sitz in E. versicherungspflichtig beschäftigt. Für die Zeit vom 26.01.2013 bis 30.06.2017 hat ihn seine Arbeitgeberin im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit Partnerländern zu einem Einsatz nach Äthiopien entsandt. Seither hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern seinen ausschließlichen Wohnsitz in A. A. (Äthiopien).
Am 25.07.2015 wurde A geboren. Anlässlich der Geburt war die Ehefrau des Klägers nach Deutschland gereist. Nach der Geburt wurde A hier wegen gesundheitlicher Probleme mehrfach stationär behandelt, zuletzt bis zum 17.11.2015. Mutter und Kind befanden sich bis 06.01.2016 in Deutschland. Ab 07.01.2016 befand sich die ganze Familie wieder Äthiopien. Für weitere ärztliche Untersuchungen befand sich die Ehefrau des Klägers zusammen mit A ab dem 08.05.2016 wiederum in Deutschland.
Am 01.12.2015 beantragte der Kläger Elterngeld für den 6. und 13. Lebensmonat seines Sohnes, also für die Zeit vom 25.12.2015 bis 24.01.2016 und vom 25.07. bis 24.08.2016. Er teilte im weiteren Verlauf unter anderem mit, dass er ein normaler Auslandsmitarbeiter mit Entsendung und kein Entwicklungshelfer und somit voll sozialversicherungspflichtig sei.
Mit Bescheid vom 04.01.2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung gab sie an, ein Anspruch auf Elterngeld setze u.a. voraus, dass der Begünstigte keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Dies sei der Fall, wenn die Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt. Die durchschnittliche Arbeitszeit des Klägers liege über dieser Grenze.
Der Kläger legte eine Bescheinigung der B. G. vom 17.02.2015 vor. Darin wird bescheinigt, dass der Kläger seine Tätigkeit vom 25.01.2013 bis 30.06.2017 in A. A. /Äthiopien ausübe. Die Voraussetzungen für eine Ausstrahlung seien gegeben. Es würden für den Kläger weiterhin die deutsche Rechtsvorschriften (§ 4 Abs 1 SGB IV) gelten.
Zusätzlich legte der Kläger Arbeitsbescheinigungen der G. GmbH vom 20.1.2016 und 02.02.2016 vor, wonach sich der Kläger vom 25.12.2015 bis 24.01.2016 sowie vom 25.07.2016 bis 24.08.2016 in Elternzeit befinde und in diesen Zeiträumen keine Bezüge erhalte.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.01.2016 das beantragte Elterngeld nochmals ab. Zur Begründung gab sie nun an, Anspruch auf Elterngeld habe grundsätzlich nur, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Dies sei beim Kläger unstreitig nicht der Fall. Zwar sei ein Anspruch auch für einen Arbeitnehmer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland möglich, wenn er im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zeitlich begrenzt ins Ausland entsandt werde. Eine solche Entsendung nach § 4 SGB IV liege aber nicht mehr vor, wenn der Arbeitnehmer Elternzeit in Anspruch nehme und nicht mehr im Rahmen des zulässigen Umfangs arbeite; denn dann unterliege er nicht mehr dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Vielmehr ruhe das Arbeitsverhältnis.
Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2016 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, dass gemäß § 1 Abs 1 S 1 Nr 2 und 3 BEEG Anspruch auf Elterngeld nur habe, wer mit seinem Kind in einem Haushalt lebe und es selbst betreue und erziehe. Für Monate, in denen nicht durchgehend eine häusliche Gemeinschaft bestehe, werde kein Elterngeld gezahlt; dies ergebe sich aus § 4 Abs 2 BEEG. In seinem 6. Lebensmonat (vom 25.12.2015 bis 24.01.2016) habe A nicht durchgehend beim Kläger gelebt; denn er sei erst am 07.01.2016 nach Äthiopien gereist. Der fehlende Anspruch für den 6. Lebensmonat stehe wiederum...