Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzung des Gerichts bei Disziplinarangelegenheiten gegen Vertragsärzte. gesetzliche Vorgaben für Disziplinarmaßnahmen sind ausreichend. unberechtigte Weigerung zur Vorlage von angeforderten Patientendokumentationen und Vornahme von Falschabrechnungen. vertragsärztliche Pflichtverletzungen. gerichtliche Rechtskontrolle bei Auswahl und Bemessung von Disziplinarmaßnahmen

 

Orientierungssatz

1. Die Besetzung einer Kammer in Angelegenheiten der Vertragsärzte - wozu auch Disziplinarsachen gehören - mit 2 auf Vorschlag der Kassenärztlichen Vereinigung ernannten Vertragsärzten in einem gegen die Kassenärztliche Vereinigung gerichteten Verfahren verstößt nicht gegen Prinzipien der Unabhängigkeit und richterlichen Neutralität (vgl BVerfG vom 17.12.1969 - 2 BvR 271/68 = BVerfGE 27, 312).

2. Die gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen sind ausreichend (vgl BSG vom 14.3.2001 - B 6 KA 36/00 R = SozR 3-2500 § 81 Nr 7).

3. Weigert sich ein Vertragsarzt zu Unrecht, angeforderte Patientendokumentationen vorzulegen und nimmt er Falschabrechnungen vor, verstößt er gegen vertragsärztliche Pflichten, die Disziplinarmaßnahmen rechtfertigen.

4. Die gerichtliche Rechtskontrolle bei Auswahl und Bemessung einer verhängten Disziplinarmaßnahme beschränkt sich auf das Ermessen des Disziplinarausschusses.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme (Geldbuße von 5.000 €).

Der 1944 geborene Kläger wurde am 2.9.1974 als Arzt approbiert und nach Absolvierung einer entsprechenden Ausbildung durch Urkunde der Bezirksärztekammer Südbaden vom 27.4.1979 als Anästhesist anerkannt. Seit dem Jahr 1981 nimmt er als praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Urkunde der Bezirksärztekammer Südbaden vom 14.1.1994 erhielt der Kläger die Genehmigung zur Führung der Zusatzbezeichnung “Psychotherapie„ und mit Urkunde vom 19.5.1995 die Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin. Mit Beschluss vom 15.9.1995 wandelte der Zulassungsausschuss die Zulassung des Klägers als praktischer Arzt in eine Zulassung als Facharzt für Allgemeinmedizin/Psychotherapie um. Seit 1.12.1998 (Praxisaufnahme zum 1.5.1999) nimmt der Kläger als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in F. teil.

Mit Schriftsatz vom 2.6.2003 (Verwaltungsakte - VA - S. 126) beantragte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Südbaden als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden nur: Beklagte), gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren einzuleiten und das Ruhen der Zulassung für zwei Quartale auszusprechen. Zur Begründung führte sie aus, bei routinemäßiger Überprüfung zum Jahresende 2001 seien Häufigkeit und teils auch die Unausgewogenheit bei der Abrechnung psychotherapeutisch-psychosomatischer Leistungen aufgefallen. Man habe den Kläger deshalb unter Hinweis auf die der Mitwirkungspflicht zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften zur Vorlage seiner Praxisdokumentation in 18 Fällen (bezogen auf die Quartale 2/99 bis 2/01) aufgefordert (Schreiben vom 15.11. und 2.12.2002, VA S. 120,122). Auf wiederholte Nachfragen habe der Kläger mit Bedingungen und Gegenfragen reagiert, die Dokumentationen aber nicht vorgelegt. Damit habe er deren Auswertung pflichtwidrig verhindert. Die Abrechnung des psychotherapeutischen Leistungsspektrums sei in weiten Teilen nicht nachvollziehbar.

Aus diesem Grund habe man die Abrechnung des Klägers eingehend überprüft mit folgenden Ergebnissen:

1. Der Kläger habe Leistungen nach Gebührennummer 860 EBM (a.F., Erhebung des psychodynamischen Status mittels der biografischen Anamnese unter neurosenpsychologischen oder verhaltensanalytischen Gesichtspunkten mit schriftlichen Aufzeichnungen, einschließlich Beratung des Kranken, gegebenenfalls in mehreren Sitzungen, insgesamt mindestens 50 Minuten; im Krankheitsfall nur einmal berechnungsfähig) zu Unrecht mehrfach abgerechnet und dadurch seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung jedenfalls grob fahrlässig verletzt. Ein schlichtes Versehen liege nicht vor. Vielmehr nehme der Kläger einen hausärztlichen Versorgungsauftrag wahr und habe mit der Gebührennummer 860 EBM eine für hausärztliche Verhältnisse außerordentlich hoch bewertete Gebührennummer abgerechnet. Unter medizinischen Gesichtspunkten handele es sich um eine Basisleistung, die so gründlich und umfangreich erbracht werden müsse, dass sie eine Grundlage für das gesamte nachfolgende Behandlungsgeschehen abgeben könne. Ohnehin stelle die Erbringung fachärztlicher Leistungen durch einen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt einen Sonderfall dar, der besondere Sorgfalt bei der Leistungserbringung und der Leistungsabrechnung gebiete.

2. Weiterhin habe der Kläger Leistungen nach der Gebührennummer 861 EBM abgerechnet, ohne, was notwendig gewesen wäre, zuvor Leistungen nach Gebührennummer 860 EBM erbracht zu haben. Einzelheiten der dem Kläger in diesem Zusammenhang vorzuwerfenden Abrechnungsfehler hätten (wiederum) mangels ausreich...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?