Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Übernahme der Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Leistungsausschluss nach § 41 Abs 4 SGB 12. vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit. Ausübung des Rechts auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV. kein sozialwidriges Verhalten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ausübung des Rechts auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 8 Abs 1 Nr 4 SGB 5 stellt unter bestimmten Voraussetzungen kein sozialwidriges Verhalten iS von § 41 Abs 4 SGB 12 dar.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts K. vom 30. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Übernahme der Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers aus Mitteln der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Vierten Kapitels des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) während der Tätigkeit des Klägers im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen in der Zeit vom 10. September 2012 bis 30. Juni 2013 im Streit.

Der am 1994 geborene Kläger ist schwerst pflegebedürftig (rollstuhlpflichtig) und erhält Leistungen der Pflegestufe III (siehe Schreiben der Deutschen Krankenversicherung AG - DKV - vom 17. März 2011). Er ist auch schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt. Ferner sind die Nachteilsausgleiche “G„, “B„, “aG„, “H„, “RF„ und “Gl„ zuerkannt (siehe Schwerbehindertenausweis des Landratsamts K. vom 30. November 2005).

Der Kläger ist seit seiner Geburt über seinen Vater über die Familienversicherung privat krankenversichert (Bl. 11/15 Verwaltungsakte -VA-). Der Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 12. März 2012ab dem 1. März 2012 bis zum 31. August 2012 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Der Bedarfsberechnung legte der Beklagte dabei den Regelsatz der Regelbedarfsstufe III, einen Mehrbedarf für erheblich gehbehinderte i. H. v. 17 v. H. dieses Regelsatzes sowie die Aufwendungen für die private Krankenversicherung i. H. v. monatlich 184,50 € zu Grunde.

Seit dem 10. September 2012 ist der Kläger im Rahmen einer von der Agentur für Arbeit K. geförderten Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben bei den H. Werkstätten und Wohngemeinschaften K. gGmbH, einer Werkstatt für behinderte Menschen, tätig, zunächst im Eingangsverfahren und seit dem 10. Dezember 2012 bis voraussichtlich 9. Dezember 2014 im Berufsbildungsbereich (seit 9. Dezember 2014 ist der Kläger im Werkstattbereich). Er erhält während dieser Zeitspanne von der Agentur für Arbeit K. Ausbildungsgeld (75,00 €) nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Auf seinen Antrag stellte die AOK E. fest, dass der Kläger seit dem 10. September 2012 für die Dauer der Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben von der Verpflichtung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung befreit sei (Bescheid vom 20. September 2012 - Bl. 13 SG-Akte)).

Mit Bescheid vom 14. September 2012 (Bl. 113 VA)stellte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen des Klägers ab dem 1. September 2012 auf monatlich “349,83 €„ (tatsächlich 403,65 €) neu fest. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte er weiterhin den Regelsatz der Regelbedarfsstufe III (299,00 €) zzgl. eines Mehrbedarfs für behinderte Menschen i. H. v. 35 v. H. dieses Regelsatzes. Die Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers blieben allerdings unberücksichtigt mit der Begründung, diese Beiträge seien für einen Empfänger von Grundsicherungsleistungen nicht angemessen, wenn er als Mitglied der gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse bereits über eine Vorsorge für den Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit verfüge.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er sei seit seiner Geburt privat krankenversichert und habe sich von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Dauer seiner Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen befreien lassen. Daher habe er auch Anspruch auf weitere Übernahme der für seine private Krankenversicherung anfallenden Beiträge.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2013 (Bl. 145 VA) setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab 1. Januar 2013 zunächst bis zum 30. Juni 2013 unter Aufhebung der für diese Zeitspanne bereits ergangenen Entscheidung auf monatlich 413,10 € fest. Er legte dem weiterhin alleine den Regelsatz der Regelbedarfsstufe III (ab 1. Januar 2013: 306,00 €) sowie einen Mehrbedarf für behinderten Eingliederungshilfeempfänger i. H. v. 107,10 € zu Grunde.

Dem Widerspruch des Klägers gab der Beklagte im Weiteren teilweise statt und bewilligte für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 9....

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