Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Anspruch auf Traumatherapie bei nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeutin. Kostenerstattung. Notfall. Unaufschiebbare Leistung. Systemversagen. Erreichbarkeit eines Therapeuten. Arbeitsverhinderung wegen einer Behandlungsmaßnahme. Therapiesitzung am Wochenende
Leitsatz (amtlich)
Versicherte haben keinen Anspruch auf Durchführung einer "Traumatherapie" bei einer nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeutin.
Normenkette
SGB V § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 28 Abs. 3, § 2 Abs. 2 S. 1, § 76 Abs. 1, § 13 Abs. 3 S. 1; BGB § 616 S. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. September 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung der ihr durch die Behandlung bei einer nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychotherapeutin im Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 12. Dezember 2015 entstandenen Kosten in Höhe von € 25.200,00.
Die am 1966 geborene Klägerin war jedenfalls seit 2002 bis zum 31. März 2016 Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie ist - auch im streitbefangenen Zeitraum - beschäftigt in Vollzeit als Lehrkraft an der Fachschule für Sozialpädagogik in S-G mit einem 25-Stundendeputat zzgl. Vor- und Nachbereitung; zusätzlich muss sie kurzfristig Besuch in Jugendhilfe-Einrichtungen durchführen.
Im Entlassungskurzbrief vom 23. März 2012 über eine stationäre Behandlung im V. Klinikum W. - Klinik für Stimm- und Spracherkrankungen - im Zeitraum vom 13. Februar bis 24. März 2012 berichtete Leitende Ärztin Dr. M., Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, über die Diagnosen einer psychogenen Dysphonie (F44.4), einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) und einer Anpassungsstörung (F43.2) neben weiteren somatischen Gesundheitsstörungen. Logopädische Therapie habe die im Dezember 2011 plötzlich aufgetretene Stimmlosigkeit nicht verbessern können. Im Rahmen der körperlichen Erschöpfung und der Isolation aufgrund einer Noro-Virus-Infektion sei bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung in Form von Flashbacks zu Tage getreten (Missbrauchstrauma in der frühen Kindheit). Empfohlen wurde eine weitere ambulante Psychotherapie und eine Weiterbehandlung in einer psychosomatischen/psychotherapeutischen Klinik mit Eye-Movement-Desensitization und Reprocessing (EMDR), die bereits während des stationären Aufenthaltes angewandt worden sei.
Am 19. April 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine ambulante Psychotherapie bei Dipl.-Psych. Me.-S., O.. Diese verfüge zwar nicht über eine Kassenzulassung. Sie - die Klägerin - habe jedoch zuvor sechs - im Einzelnen genannte - zugelassene Psychologische Psychotherapeutinnen erfolglos angefragt; die Wartezeiten hätten zwischen sechs bis acht Monaten bis zu ein bis eineinhalb Jahre betragen. Aufgrund ihrer psychischen Situation kämen nur weibliche Therapeutinnen in Betracht.
Dipl.-Psych. Me.-S. verfügt über die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin (Approbationsurkunde des Hessischen Prüfungsamtes für Heilberufe vom 1. Januar 1999), ist aber nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2012 lehnte die Beklagte die begehrte Kostenübernahme ab, da Dipl.-Psych. Me.-S. nicht als Vertragstherapeutin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Als zugelassene Vertragstherapeutinnen stünden zur Verfügung Dipl.-Psych. R., J. und G., alle in S..
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, bei den genannten Therapeutinnen erfolglos einen Therapieplatz angefragt zu haben. Unter dem 24. Mai 2012 wies die Beklagte darauf hin, dass die weitere Therapeutensuche von der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme abhänge. Die Beklagte benannte der Klägerin am 29. Mai 2012 telefonisch u.a. Dipl.-Psych. P.-D., L., als Therapeutin mit langjähriger Erfahrung mit Traumapatienten, die über einen freien Therapieplatz verfüge, sowie am 5. Juni 2012 per E-Mail Dr. Le., Stuttgart. Zur Begründung des aufrechterhaltenen Widerspruches trug die Klägerin weiter vor, sie habe im Rahmen eines Vorabtelefonats mit Dipl.-Psych. P.-D. nicht den Eindruck gewinnen können, dass diese eine geeignete Therapie anbieten könne; diese habe zunächst von Traumtherapie gesprochen und danach nicht benennen können, welchen Therapieansatz (Psychodynamisch-imaginative Traumatherapie [PITT] oder EMDR) sie praktiziere. Aufgrund der örtlichen Lage sei die Therapeutin nur mit langen Anfahrtszeiten zu erreichen und biete im Übrigen keine Samstagstermine, was für sie - die Klägerin - wegen der Wiederaufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit wichtig sei. Dr. Le. habe angegeben, keine Traumatherapie bei Missbrauchsopfern anzubieten und im Übrigen für zwei freie Plätze aus 40 Be...