Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungsfreiheit. Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze. regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt. Schätzung bei schwankenden Bezügen. keine Befreiung von der Versicherungspflicht bei Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach Aufnahme einer neuen Beschäftigung. Auferlegung von Kosten wegen Mißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung

 

Orientierungssatz

1. Regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt iS von § 6 Abs 1 Nr 1 SGB 5 ist das Arbeitsentgelt, auf das jemand im Laufe des auf den Beurteilungszeitpunkt folgenden Jahres (nicht notwendig des Kalenderjahres) einen Anspruch hat oder das ihm sonst mit hinreichender Sicherheit zufließen wird. Bei schwankenden Bezügen ist zu schätzen.

2. Mit Aufnahme einer neuen Beschäftigung endet grundsätzlich die bisherige Versicherungsfreiheit, wenn das neue Beschäftigungsverhältnis - zB aufgrund eines Einkommens unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze - versicherungspflichtig ist).

3. Nach § 192 SGG ist es für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seit dem 01.10.2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist.

Der 1955 geborene Kläger ist seit dem 01.10.2002 bei der Stadt F beschäftigt. Zuvor hatte er eine Beschäftigung in der Privatwirtschaft, bei der er ein regelmäßiges Einkommen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze erzielte und privat krankenversichert war. Sein regelmäßiges Jahresentgelt nach dem Wechsel zur Stadt F betrug nunmehr 36.732,37 €. Im Jahr 2002 betrug die Jahresentgeltgrenze 40.500 €. Sein neuer Arbeitgeber meldete den Kläger bei der Betriebskrankenkasse (BKK) Zeppelin als Rechtsvorgängerin der Beklagten an. Der Kläger teilte der BKK am 30.12.2002, zugegangen am 02.01.2003 mit, er wolle nicht aus seiner bisherigen privaten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wechseln. Er beantrage die Befreiung von der Mitgliedschaft in der GKV ab dem 01.10.2002. Die Jahresentgelte der Jahre 2003 und 2004 des Klägers betrugen 40.354,58 € und 41.991,12 €.

Die BKK lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24.06.2003 ab, weil die Voraussetzungen zur Befreiung von der Versicherungspflicht nicht vorlägen. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es gelte der Grundsatz "Einmal privat, immer privat". Bei Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze habe er einen Befreiungsanspruch. Die BKK holte eine Anhörung nach und begründete ihren ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 14.10.2003 damit, dass der Kläger weder zum befreiungsfähigen Personenkreis gehöre noch innerhalb der Dreimonatsfrist den notwendigen Antrag gestellt habe.

Dagegen hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 2 KR 2372/03 am 17.11.2003 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben.

Seit dem 01.08.2003 ist der Kläger aufgrund eigenen Antrags Pflichtmitglied der BKK FAHR in Gottmadingen. Er beantragte am 14.01.2004 per Email erneut, dieses Mal bei der BKK FAHR, ihn von der Versicherungspflicht zu befreien. Die BKK FAHR lehnte den Antrag mit Schreiben vom 26.01.2004 ab.

Am 23.08.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm die für die Zeit vom 01.10.2002 bis 31.07.2003 gezahlten Beiträge zu erstatten. Die auf insgesamt 4.933.74 € bezifferten Abzüge seien rechtswidrig, er habe weiterhin Versicherungsbeiträge an seine private Krankenversicherung gezahlt. Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 26.08.2004 auf das laufende sozialgerichtliche Verfahren beim SG, worauf der Kläger Widerspruch einlegte. Nachdem die Beklagte ein Anhörungsverfahren nachgeholt hatte erließ sie am 13.10.2004 einen ablehnenden Widerspruchsbescheid.

Dagegen hat der Kläger am 15.11.2004 unter dem Aktenzeichen S 2 KR 2752/04 Klage zum SG erhoben.

Am 15.12.2004 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 2 KR 3045/04 ER beantragt, seine private Krankenversicherung als die maßgebliche Krankenversicherung festzulegen, was das SG mit Beschluss vom 14.03.2005 abgelehnt hat. Das SG hat entschieden, es fehle am Anordnungsgrund, denn ein Obsiegen in der Hauptsache sei nicht wahrscheinlich. Die unter dem Aktenzeichen L 5 KR 1338/05 ER-B beim erkennenden Senat eingelegte Beschwerde des Klägers ist mit Beschluss vom 08.07.2005 als unbegründet zurückgewiesen worden. Wegen dessen Inhalt wird ergänzend auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.

Das SG hat die Beteiligten ausweislich der SG-Akten mit Verfügung vom 15.12.2004, abgesandt am 16.12.2004, auf eine beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen. Es hat die Klagverfahren durch Beschluss vom 20.12.2004 miteinander verbunden und diesen Beschluss an die Beteiligten zugestellt. Das SG hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2005 unter Hinweis auf das unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegende Einkommen des Klägers abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gerichtsbescheids wird auf dessen Entscheidu...

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