Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragsbemessung. Beitragspflicht einer Abfindungszahlung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs. einmalige beitragspflichtige Einnahme. Zuordnung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Bei freiwillig in der GKV Versicherten unterliegt eine Unterhaltsabfindung der Beitragspflicht, weil es sich dabei um eine Einnahme iS des § 240 SGB V handelt, die zum Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann. Die Unterhaltsabfindung ist als einmalige Einnahme zu werten, die vom Zeitpunkt ihres Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des Betrages für 12 Monate zuzuordnen ist. (Abweichung von LSG Celle-Bremen 29.1.2015 - L 1/4 KR 17/13).

 

Orientierungssatz

Die Verbeitragung von Unterhaltsabfindungen nach Maßgabe des § 5 Abs 3 Satz 3 SzBeitrVfGrs unter Aufteilung auf ein Jahr begegnet auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten keinen Bedenken.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.10.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum 01.07.2016 bis 30.06.2017 im Hinblick auf eine der Klägerin gezahlte Unterhaltsabfindung nach Ehescheidung.

Die 1961 geborene Klägerin war bis 30.04.2016 familienversichert. Am 15.03.2015 nahm sie als Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die einen kleinen Spiele- und Geschenkeladen betreibt, eine selbstständige Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden auf. Aus dieser Tätigkeit wurde zunächst kein Gewinn erzielt. Nach Mitteilung der Klägerin entnahm sie ab 01.05.2016 monatlich 800 €, ab 01.01.2017 monatlich 1.000 € aus der GbR.

Die Ehe der Klägerin wurde am 27.04.2016 nach 26jähriger Ehedauer geschieden (Amtsgericht B. C., 5 F 702/15, rechtskräftig seit 02.07.2016). Die Ehegatten verzichteten wechselseitig auf eventuelle Zugewinnausgleichsansprüche. Vereinbart wurde ua weiter, dass die Klägerin als Abfindung auf den nachehelichen Unterhalt eine Zahlung iHv 45.000 € erhält. Die Unterhaltsabfindung wurde vereinbarungsgemäß im Juli 2016 an die Klägerin in dieser Höhe ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 14.10.2016 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Klägerin als freiwilliges Mitglied mit nebenberuflich selbstständiger Tätigkeit für die Zeit vom 01.05. bis 30.06.2016 nach der Mindestbemessungsgrenze von 968,33 € fest (insgesamt 168,01 € monatlich) und für die Zeit ab 01.07.2016 nach der Beitragsbemessungsgrenze von 4.237,50 € (insgesamt 735,21 € monatlich). Die Berechnung der Beiträge für die Krankenversicherung erfolgte unter Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes (14 % im Jahr 2016). Der im Juli 2016 erhaltene Abfindungsbetrag iHv 45.000 € sei in voller Höhe zur Beitragsberechnung heranzuziehen. Gemäß § 5 Abs 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BVSzGs) seien einmalige beitragspflichtige Einnahmen, die nicht im Voraus zu erwarten seien, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung oder des Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des zu erwartenden Betrags für zwölf Monate zuzuordnen. Unter Anwendung dieser Regelung werde die Einmalzahlung für die Zeit vom 01.07.2016 bis 30.06.2017 mit monatlich 3.750 € beitragspflichtig. Die von der Klägerin gewünschte Verteilung der Unterhaltszahlung auf 120 Monate komme nicht in Betracht. Die Krankenkassen folgten der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen (29.01.2015, L 1/4 KR 17/13) nicht. Da die Einkünfte der Klägerin insgesamt die Beitragsbemessungsgrenze überstiegen, erfolge die Festsetzung in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze.

Mit ihrem Widerspruch vom 07.11.2016 führte die Klägerin aus, dass die Vorschriften der BVSzGs der gerichtlichen Kontrolle unterlägen, so dass es nicht ausreiche, wenn die Krankenkassen sich weigerten, die Rechtsprechung anzuerkennen. Mit der Zahlung der Abfindung seien die nachehelichen Unterhaltsansprüche vollständig abgegolten. Daher sei eine Umlegung auf zwölf Monate nicht gerecht. Die Abfindung sei mit einem Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung vergleichbar, so dass sie entsprechend § 5 Abs 4 BVSzGs auf 120 Monate umzulegen sei. Die Zuordnung auf zwölf Monate stelle die Klägerin unangemessen schlechter gegenüber Personen, die ihren nachehelichen Unterhalt regelmäßig monatlich über einen längeren Zeitraum erhielten. Die Klägerin zahlte die Beiträge in voller Höhe unter Vorbehalt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2017 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Bei dem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29.01.2015 (L 1/4 17/13) handele es sich um eine Einzelfallentscheidung, die auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei.

Hiergegen richt...

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