Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. GdB-Herabsetzung nach Heilungsbewährung. GdB-erhöhende Wirkung eines Einzel-GdB von 30. Gesamt-GdB von 50
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Herabstufung eines GdB von 80 auf 40 nach Ablauf der Heilungsbewährung bei einer Melanomerkrankung ohne Hinweis auf ein Rezidiv.
2. Bei einer depressiven Erkrankung spricht die Tatsache, dass bei schwankendem Verlauf weiterhin eine niedrigfrequente Therapie mit supportiven Gesprächen max einmal im Monat durchgeführt wird und die antidepressive Medikation unverändert bleibt, außerdem durchgehend eine Nebentätigkeit ausgeübt wird und konkrete Urlaubsplanungen bestehen, gegen schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Ein GdB von 30 ist insoweit angemessen und sachgerecht.
3. Bei Einzel-GdB-Werten von 30 für den Bereich Psyche und 30 für den Bereich Augen kann ein Gesamt-GdB von 50 dann gebildet werden, wenn zwischen den beiden Funktionssystemen keinerlei Überschneidungen bestehen, etwa wenn die depressive Erkrankung auf die durchlittene Krebserkrankung zurückzuführen ist.
4. Es gibt keinen Grundsatz, wonach ein weiterer Teil-GdB von 30 regelmäßig nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte führt und nur ausnahmsweise zu einer solchen um 20 Punkte.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29.11.2018 aufgehoben und der Bescheid vom 08.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 abgeändert soweit der Grad der Behinderung mit weniger als 50 seit 14.09.2016 festgestellt wurde.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind für beide Instanzen zu 1/2 zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 70 auf 40.
Bei dem Kläger hatte das Landratsamt S. (LRA) den GdB mit Bescheid vom 15.11.2012 mit 60 seit dem 08.10.2012 festgestellt. Der Bewertung lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
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Hauterkrankung (in Heilungsbewährung) |
GdB 50 |
Erblindung am linken Auge |
GdB 30 |
Refluxkrankheit der Speiseröhre |
GdB 10 |
(versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. G. vom 12.11.2012).
Am 09.01.2015 wurde eine Nachprüfung von Amts wegen zur Prüfung des Eintritts der Heilungsbewährung eingeleitet. Das LRA zog medizinische Unterlagen bei der Praxis für Allgemeinmedizin Dres. M. und bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. E. bei. Außerdem wurde der Reha-Entlassungsbericht der K. vom 02.02.2015 sowie ein Befundbericht bei der Psychiatrischen Institutsambulanz Z. beigezogen. Sodann wurde eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei Dr. Z. eingeholt, der den Gesamt-GdB mit 40 bewertete unter Berücksichtigung folgender Teil-GdB-Werte:
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Erblindung am linken Auge |
GdB 30 |
Seelische Störung |
GdB 30 |
Refluxkrankheit der Speiseröhre |
GdB 10 |
Hierzu führte Dr. Z. aus, die Heilungsbewährung für das maligne Melanom sei eingetreten, nach Aktenlage bestünden kein Rezidiv und keine Metastasierung, sodass die Behinderung entfalle. Zusätzlich anerkannt werden könne eine behandlungsbedürftige depressive Störung.
Nach erfolgter Anhörung gemäß § 24 SGB X am 03.02.2016 und einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. Z. am 20.04.2016 wurde der GdB mit Bescheid vom 08.06.2016 auf 40 ab dem 11.06.2016 festgesetzt. Wegen der eingetretenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse sei der Bescheid vom 17.06.2015 nach § 48 SGB X aufzuheben und eine den neuen Verhältnissen entsprechende Feststellung zu treffen.
Hiergegen legte der Kläger am 04.07.2016 Widerspruch ein, den er damit begründete, hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation habe sich keine wesentliche Änderung eingestellt.
Unter dem 31.10.2016 nahm der Versorgungsarzt Dr. W. zu den Funktionsstörungen des Klägers Stellung und führte aus, laut dem Befundbericht vom 29.09.2011 sei ein Plattenepithelkarzinom an der Wange links operativ entfernt worden. Hier betrage gemäß der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Nr. 17.13 die Heilungsbewährungszeit 5 Jahre und ende damit am 13.09.2016. Die Herabsetzung des GdB bereits ab dem 11.06.2016 sei also zu früh erfolgt. Im weiteren Verlauf sei eine seelische Störung mit einem Teil-GdB von 30 anerkannt worden. Laut Befundbericht vom 11.12.2015 finde eine Behandlung in der Psychiatrischen Institutsambulanz des Z. seit August 2013 statt. Damit könne dieser Teil-GdB bereits ab August 2013 festgestellt werden.
Es ergebe sich somit folgende Gesamtbewertung:
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Hauterkrankung (in Heilungsbewährung) |
Teil-GdB 50 |
(bis 13.09.2016, danach Wegfall dieses Teil-GdB) |
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Erblindung am linken Auge |
Teil-GdB 30 |
Seelische Störung |
Teil-GdB 30 (ab 08/2013) |
Refluxkrankheit der Speiseröhre |
Teil-GdB 10. |
Der Gesamt-GdB betrage 70 ab 08/2013 und 40 ab 14.09.2016.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2016 wurde dem Widerspruch insoweit stattgegeben, als dass der GdB für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 13.09.2016 mit 70 bewertet wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Deswegen hat der Kläger am 30.11...