Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Beweisantrag. ärztliches Gutachten
Orientierungssatz
Das Antragsrecht gem § 109 SGG, das grundsätzlich in allen Instanzen besteht, ist regelmäßig verbraucht, wenn bereits in erster Instanz ein Gutachten auf demselben Fachgebiet auf Antrag und im Kostenrisiko des Versicherten eingeholt worden ist. Einen wiederholenden Antrag muß das Gericht deshalb nur dann stattgeben, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen. Solche besonderen Gründe können vorliegen, wenn sich nach Erstattung des ersten Gutachtens das Krankheitsbild wesentlich geändert hat, sonstige neue Tatsachen auf- oder eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist, die der erste Gutachter noch nicht berücksichtigen konnte, das erste Gutachten ergänzungsbedürftig ist oder der neue Sachverständige zu einem anderen Beweisthema gehört werden soll. Gleiches gilt, wenn das Gericht der zweiten Instanz von anderen rechtlichen Gesichtspunkten oder Anknüpfungstatsachen als das SG ausgeht.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1947 geborene, seit dem 01.07.1988 als Außendienstmitarbeiter beschäftigte Kläger erlitt am 08.11.1991 auf der Fahrt zu einem Kunden seines damaligen Arbeitgebers gegen 11.00 Uhr auf der Landstraße zwischen I. und B.-O. einen Verkehrsunfall. Eigenen Angaben zufolge fuhr der Kläger mit dem beschädigten Wagen nach R. zurück; dort suchte er gegen 17.50 Uhr den Chirurgen Dr. A. auf. Dieser diagnostizierte als Gesundheitsstörungen "Distorsion der HWS, Prellung der LWS, Prellungen und Schürfungen im Bereich des rechten Ellenbogens und des linken Unterschenkels" (vgl. Durchgangsarztbericht vom 08.11.1991). Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 15.12.1991. Der von Dr. A. hinzugezogene Neurologe und Psychiater Dr. S. führte im Arztbrief vom 06.12.1991 zusammenfassend aus, er habe bei der Untersuchung des Klägers am selben Tag Kopfschmerzen nach HWS-Schleudertrauma diagnostiziert; für eine Gehirnerschütterung habe sich beim Fehlen einer initialen Bewußtseinsstörung und einer äußeren Schädelverletzung kein verwertbarer Anhalt ergeben. Am 09.12.1991 habe der Kläger über eine Besserung der Kopfschmerzen berichtet. Ein gleichzeitig angegebenes vermehrtes Ziehen im unteren HWS- und mittleren BWS-Bereich sei vermutlich spannungsbedingt und Folge der HWS-Distorsion.
Anläßlich einer Nachuntersuchung bei Dr. A. am 09.07.1992 gab der Kläger erstmals ein seit dem Unfall bestehendes rechtsseitiges Ohrgeräusch an. Dr. A. veranlaßte deswegen eine Untersuchung durch den HNO-Arzt Dr. Sch. Dieser erhob bei reizlos intakten Trommelfellen tonschwellenaudiometrisch ein seitengleich normales Hörvermögen bei angedeuteter C-5-Senke links. Trotz verschiedener Behandlungsversuche habe sich der Tinnitus nicht beeinflussen lassen (vgl. Arztbrief vom 17.06.1992). Dr. A. führte das Ohrgeräusch ursächlich auf das Unfallereignis zurück. In einem für den G.-Konzern, F., erstellten Befundbericht vom 23.09.1992 teilte Dr. Sch. u.a. mit, aufgrund der Vorgeschichte sei der Tinnitus mit Wahrscheinlichkeit durch den Autounfall verursacht; die hierdurch bedingte MdE bewerte er mit 5 bis 10 v.H.
Am 17.11.1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung des Ohrgeräusches als Unfallfolge sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte ließ ihn deswegen durch den HNO-Arzt Dr. de V. untersuchen und begutachten (Gutachten vom 19.12.1994). Dr. de V. gegenüber gab der Kläger anamnestisch u.a. an, er leide als Folge des Ohrgeräusches an Konzentrations- und Einschlafstörungen; konkrete Auswirkungen auf seine berufliche Tätigkeit im Sinne eines Nachteiles oder Verdienstausfalls habe er nicht. Dr. de V. diagnostizierte als Unfallfolgen "Hochtonabfall ohne Hörminderung beidseits, Tinnitus rechts"; da der Kläger das Ohrgeräusch als psychisch belastend schildere, schlage er eine MdE von 10 v.H. vor. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis anerkannte die Beklagte als Unfallfolgen: "Am rechten Ohr: Hochtonabfall ohne bleibende Hörminderung, dauerndes Ohrgeräusch; am linken Ohr: Hochtonabfall ohne bleibende Hörminderung"; die Gewährung von Verletztenrente lehnte sie ab mit der Begründung, die Folgen des Arbeitsunfalls verursachten nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß (Bescheid vom 13.01.1995, Widerspruchsbescheid vom 05.04.1995).
Deswegen erhob der Kläger am 03.05.1995 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Zur Begründung trug er vor, er sei infolge des Ohrgeräusches erheblich beeinträchtigt; aufgrund des Unfalles leide er ferner an Halsschmerzen und Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und des Rückens.
Das SG erhob Beweis durch Einholung der Auskünfte des Dr. A. vom 26.05.1995, des HNO-Arztes Dr. B. vom 06.06.1995, des Internisten Dr. S. vom 20.06.1995 und des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 24.06.1996. Dr. A. bekundete, de...