Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. höhere Verletztenrente. Arbeitsunfall. Gesundheitsschaden. weitere Unfallfolge. haftungsbegründende Kausalität. Überlastungsschaden an der unversehrten paarigen Extremität. herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung
Leitsatz (amtlich)
Ein Überlastungsschaden kann an der unversehrten paarigen Extremität nach der nach wie vor herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung grundsätzlich nicht entstehen. Die Anerkennung einer Arthrose an der durch den Arbeitsunfall nicht geschädigten Extremität als weitere Unfallfolge ist demnach in der Regel abzulehnen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 31. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mehr als 50 vom Hundert (v. H.) aufgrund des Arbeitsunfalls vom 21. November 1980.
Er ist am 1958 geboren. Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann hat er diesen Beruf bis zum Jahr 2000 ausgeübt. Danach war er bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit 2006 im Büro einer Spedition beschäftigt. Auf seinen Rentenantrag aus dem Jahr 2011 erhält er seitdem bis zum Beginn der Altersrente im Jahr 2024 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er lebt seit 2017 alleine, kann sich versorgen und nimmt bedarfsweise Schmerzmittel (Ibuprofen) ein. Auf Minijob-Basis fährt er einen automatikbetriebenen Schulbus zur Schülerbeförderung und transportiert morgens Schüler zur Schule. Hobbys hat er keine (vgl. Anamnese Dr. B.).
Am 21. November 1980 war der Kläger mit seinem PKW auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle und stieß mit einem ihm entgegenkommenden PKW, der auf die Fahrbahn des Klägers gekommen war, frontal zusammen. Aus dem Durchgangsarztbericht vom Unfalltag ergaben sich die Diagnosen einer Commotio cerebri, eines erstgradigen offenen Oberschenkeltrümmerbruchs links, eines geschlossenen, deutlich verschobenen Unterarmbruchs links, einer distalen Radiusfraktur rechts, einer zweitgradigen offenen Nasenbeinfraktur sowie eines Einriss des linken Ohrläppchens.
Durch Bescheid vom 16. Februar 1982 berücksichtigte die Beklagten als Unfallfolgen zunächst nur nervöse Erscheinungen nach Kopfverletzung, die inzwischen ohne wesentlichen Folgen abgeklungen seien, auch von Seiten des Unterkieferbruches links und der Handverletzung rechts seien keine wesentlichen Folgen mehr nachweisbar gewesen. Sie gewährte dem Kläger für den Zeitraum vom 16. April bis zum 30. Juli 1980 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. und für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1980 nach einer MdE von 20 v. H.. Ab dem 1. Januar 1981 wurde die Weitergewährung der Rente abgelehnt, weil die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in einem messbaren Grade gemindert gewesen sei.
Durch weiteren Bescheid vom 21. Dezember 1982 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls eine Minderung der linken Oberschenkelmuskulatur und reizlose Narben am linken Oberschenkel nach knöchern festverheiltem Oberschenkelbruch links, eine knöchern festverheilte Kniescheibentrümmerfraktur links mit leichter Deformierung und beginnenden Verschleißerscheinungen, eine abgeheilte knöcherne Absprengung am Schienbeinkopf links, knöchern festverheilte Brüche des körperfernen Speichenanteils rechts und des linken Unterarms, reizlose Narben am linken Unterarm, eine folgenlos ausgeheilte Gehirnerschütterung sowie eine operativ versorgte Nasenbeintrümmerfraktur im Sinne einer Nasenrekonstruktion an. Keine Folgen des Arbeitsunfalls, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung, seien eine Unterkieferfraktur, eine Strecksehnenruptur des 5. Fingers rechts sowie eine Gehirnerschütterung nach Unfall vom 7. Januar 1980. Die Beklagte gewährte dem Kläger für den Zeitraum vom 22. August bis zum 30. September 1981 eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v. H., für den Zeitraum vom 1. Oktober 1981 bis zum 31. August 1982 nach einer MdE von 30 v. H. und für den Zeitraum ab dem 1. September 1982 eine Dauerrente nach einer MdE von 20 v. H..
Dem Antrag des Klägers auf Abfindung der Dauerrente nach einer MdE von 20 v. H. entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 19. Mai 1993 mit einer Abfindungssumme in Höhe von 86.479,10 DM.
Durch Bescheid vom 9. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2010 bewertete die Beklagte die MdE mit 50 v. H. ab dem 16. März 2009. Die dem Bescheid vom 21. Dezember 1982 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Es liege eine erhebliche Zunahme der Bewegungseinschränkungen in den Bereichen des linken Hüft-, Knie- und Sprunggelenks sowie eine höhergradige Teilschädigung des Nervus peroneus links mit Fuß- und Zehenheberlähmung nach Implantation einer regelrecht einliegenden geführten zementierten kompletten Knieprothese links m...