Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistungen und Einkommensberücksichtigung. Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteil. Untermietvertrag Familienangehöriger als Scheingeschäft. Zurechnung Kindergeld volljähriges Kind. Teilrechtsfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen in § 20 Abs 2 und 3 SGB 2 und zu dem zu berücksichtigenden Einkommen in § 11 SGB 2 verstoßen nicht gegen das GG.
2. Leben Hilfebedürftige mit anderen Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, in einer Haushaltsgemeinschaft, sind die Kosten für Unterkunft und Heizung anteilig (pro Kopf) zu ermitteln.
3. Ein Vertrag zwischen Angehörigen (hier: Untermietvertrag der Eltern mit der erwachsenen Tochter) ist als Scheingeschäft iS des § 117 Abs 1 BGB zu qualifizieren, wenn die Gestaltung und Durchführung des Vereinbarten nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (so genannter Fremdvergleich in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH vom 19.10.1999 - IX R 39/99 = NJW 2000, 758; vgl auch VG Augsburg vom 17.3.2005 - Au 3 K 04.1474 - in juris).
4. Kindergeld für ein volljähriges Kind, das an den kindergeldberechtigten Elternteil ausgezahlt wird, ist nicht gemäß § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 in der bis zum 30.6.2006 geltenden Fassung als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, sondern ist Einkommen des Kindergeldberechtigten (vgl BVerwG vom 17.12.2003 - 5 C 25/02 = NJW 2004, 2541).
Orientierungssatz
Nach den gesetzlichen Regelungen des § 44b SGB 2 ist die Arbeitsgemeinschaft eine Behörde iS des § 1 Abs 2 SGB 10 in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die zumindest Teilrechtsfähigkeit besitzt. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art 106a GG bestehen nicht.
Tenor
Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen und ihre Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. September 2005 geändert und die Klagen der Kläger insgesamt abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger zu 1 bis zu 5 begehren im vorliegenden Rechtsstreit höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der am ...1958 geborene Kläger zu 1 und die am ...1961 geborene Klägerin zu 2 sind nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten. Die am ...1990 geborene Klägerin zu 3, der am ...1992 geborene Kläger zu 4 und der am ...1997 geborene Kläger zu 5 sind deren Kinder. Die Kläger bewohnen eine gemeinsame Wohnung (4 Räume, 1 Küche, 1 Bad, Gesamtgröße 101 m², Gesamtmiete monatlich 744,99 € einschließlich Vorauszahlungen für Heizkosten monatlich 36,-- €, für Betriebskosten monatlich 81,-- € und für Wasser/Abwasser monatlich 81,-- €).
In dieser Wohnung lebt außerdem die am ...1986 geborene Tochter der Kläger zu 1 und zu 2 B. N. (B). Die Klägerin zu 2 und der Kläger zu 1 einerseits sowie B andererseits schlossen am 10.12.2004 einen Untermietvertrag, der sich “auf die Wohnung Nr. 0704 0 0086 in der L.straße, F., III. Stock rechts bezieht„ und folgende Bestimmungen enthält:
“1. Der Wohnraum kann in vollem Umfang mitbenutzt werden. Ein separater Kühlschrank steht betriebsbereit für die Untermieterin bereit und außerdem darf in der Küche der Herd mitgenutzt werden.
2. Der Vertrag wird ab dem 01.01.2005 geschlossen und beträgt 20,-- Euro mit Zentralheizung und Kabelanschluss, also warm.
3. Die Untermieterin beteiligt sich bei eventuellen Schönheitsreparaturen, die von der Siedlungsgesellschaft bzw. Freiburger Stadtbau oder dem Rechtsnachfolger verlangt werden.
4. Es besteht für beide Vertragsparteien ein sofortiges Kündigungsrecht, damit die Untermieterin über die nötige Mobilität verfügen kann.„
Die Klägerin zu 2 sieht sich nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich nachzugehen. Der Kläger zu 1 bezieht Kindergeld in Höhe von monatlich 641,-- €. Verwertbares Vermögen ist nicht vorhanden.
Auf ihren Antrag vom 10.12.2004 bewilligte die Beklagte den Klägern als Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 23.12.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005 in Höhe von 1268,79 € und für die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.04.2005 in Höhe von monatlich 1259,79 €. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger zu 1 für die Bedarfsgemeinschaft am 03.01.2005 Widerspruch. Er machte Leistungen in Höhe von monatlich 1577,99 € bzw. als “Korrekten Bescheid nach Ansicht von Dritten„ in Höhe von monatlich 2107,99 € geltend.
Mit Änderungsbescheid vom 19.01.2005 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005 Leistungen in Höhe von nunmehr 1288,79 € und für die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.04.2005 in Höhe von nunmehr monatlich 1279,79 €. Dem Änderungsbescheid waren Berechnungsbogen als Anlage beigefügt. Der Bescheid sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Im Übrigen wurd...