Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragszuschlagsverfahren gem § 162 SGB 7. Anknüpfungspunkt: Eigenbelastung des einzelnen Beitragspflichtigen mit Begrenzung des Zuschlags auf 30 % des Beitrags. kein Verstoß gegen das Übermaßverbot. Verfassungsmäßigkeit. nicht zu berücksichtigende Versicherungsfälle: Verschuldensprüfung gem § 160 Abs 1 S 3 SGB 7. alleiniges Verschulden Außenstehender

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein reines Beitragszuschlagsverfahren ist nach § 162 Abs 1 S 1 SGB 7 zulässig.

2. Die Anknüpfung des Beitragszuschlags an die Eigenbelastung des einzelnen Beitragspflichtigen im Vergleich zur Durchschnittsbelastung aller Beitragspflichtigen mit Begrenzung des Beitragszuschlags auf 30% des Beitrags verstößt nicht gegen das aus der Solidarhaftung folgende Übermaßverbot.

3. Bei der Prüfung, ob der Versicherungsfall durch alleiniges Verschulden iS des § 162 Abs 1 S 3 SGB 7 nicht zum Unternehmen gehörender Personen eingetreten ist, ist in einem ersten Prüfungsschritt zu klären, ob ein Außenstehender hierfür eine Ursache im Sinne der Bedingungstheorie gesetzt hat. Der Begriff des Verschuldens ist nämlich lediglich im Sinne einer Verursachung zu verstehen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob auch eine Ursache aus dem Einflussbereich des Unternehmers mitgewirkt hat. Auch hier genügt jede Ursache im Sinne der Bedingungstheorie. In einem dritten Prüfungsschritt ist aufgrund einer Wertung zu entscheiden, ob die im Einflussbereich des Unternehmers gesetzte Ursache nicht wesentlich im Rechtssinne war. Nur dann kann von einer alleinigen von einem Außenstehenden gesetzten Ursache gesprochen werden. Hierbei ist ein wichtiges Kriterium, ob eine und ggf wessen Sorgfaltswidrigkeit zum Versicherungsfall geführt hat. Die jeweils anzuwendenden Unfallverhütungsvorschriften sind dabei zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.02.2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte wegen der Aufwendungen für die Arbeitsunfälle der bei der Klägerin beschäftigten N und M für das Beitragsjahr 2004 von der Klägerin einen Beitragszuschlag fordern kann.

Die Klägerin war seit 01.03.1980 aufgrund des Aufnahme- und Veranlagungsbescheides vom 06.10.1980 Mitgliedsunternehmen der W-BauBG.

Am 08.09.2003 ereignete sich ein Arbeitsunfall des N. In dem Unfalluntersuchungsbericht des T. vom 10.11.2003 wurde ausgeführt, N habe sich als verantwortlicher Bauleiter der Klägerin mit den Bauleitern R und S von der Firma H. Bau GmbH auf einer Baustelle zur Bauabnahme getroffen. Die Klägerin habe im Auftrag der Firma H die Böden einer neu errichteten Produktionshalle mit rutschsicheren Beschichtungen versehen. Zur Abnahme der Flächen im Obergeschoss der Produktionshalle habe eine Leiter als Aufstieg benutzt werden müssen, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Treppen vorhanden gewesen seien. Der Höhenunterschied zwischen dem Erdgeschoss und dem Obergeschoss habe 3,30 Meter betragen. R habe eine 5 Meter lange Leiter an die Wandöffnung im Obergeschoss angelehnt. Der Anstellwinkel sei korrekt und die Leiter in einem einwandfreien und sicheren Zustand gewesen. Auf Grund der Länge der Leiter habe diese etwa 1,50 Meter über die Deckenkante hinaus geragt. R und S seien bereits über die Leiter nach oben gestiegen. N sei nachgefolgt. Als dieser zwei Sprossen unterhalb der Austrittkante auf der Leiter gestanden sei, habe er sein Körpergewicht zu weit nach vorne verlagert und damit die Leiter zum Rutschen gebracht. Trotz der vorhandenen Gummifüße der Leiter und des rutschsicheren Industriebodens sei die Leiter an der Aufstellfläche weggerutscht. N sei samt Leiter auf den Hallenboden gefallen und habe sich eine Fersenbeinfraktur sowie eine Unterarmfraktur zugezogen. Unfallursächlich sei eine unsachgemäße Benutzung der Anlegeleiter und mithin Eigenverschulden des N. Auf einem dem Unfalluntersuchungsbericht beigefügten Foto sind zwei parallel verlaufende Abriebspuren der Gummifüße der Leiter auf dem beschichteten Boden erkennbar.

Unter dem 02.02.2004 führte die Klägerin aus, die von R aufgestellte Leiter sei, als N hinauf gestiegen sei, unten weggerutscht. Daher könne ihr der Unfall nicht angelastet und sie nicht zu einem Beitragszuschlag herangezogen werden. Unter dem 22.06.2004 führte die Klägerin aus, nachdem vor N zwei Personen schon die Leiter hochgestiegen seien, habe sich N darauf verlassen können, dass die Leiter gesichert sei. Ein Verschulden des N sei daher nicht erkennbar. Unter dem 20.08.2004 führte die Klägerin aus, die Leiter sei an ihrem oberen Ende nicht ordnungsgemäß abgesichert worden, was N von unten habe nicht erkennen können. Die Leiter habe sich dann gelöst und sei verrutscht, was zum Sturz des N geführt habe. Der Unfall sei daher ausschließlich dadurch verursacht worden, dass R die Leiter nicht ordnungsgemäß aufg...

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