Entscheidungsstichwort (Thema)

Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Radarflugmelder/Radarleithelfer. Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee. Bericht der Radarkommission. antizipiertes Sachverständigengutachten. Strahlenexposition. Nachweis. Beweislastumkehr. AHP. versorgungsmedizinische Grundsätze. Kausalitätsbeurteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bericht der Radarkommission ist kein antizipiertes Sachverständigengutachten.

 

Orientierungssatz

1. Zur Beurteilung von Schädigungsfolgen und der MdE beziehungsweise des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) ist die seit 1.1.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten “Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht„ (Teil 2 SGB 9) 2008„ (AHP) getretene Anlage “Versorgungsmedizinische Grundsätze„ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, § 30 Abs 1 und § 35 Abs 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl I 2008, 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; juris: VersMedV) heranzuziehen. Die in den AHP enthaltenen Erläuterungen zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen (Nr 53 bis 143 AHP) sind dessen ungeachtet weiter zu berücksichtigen, da die VG insoweit keine Regelungen getroffen haben.

2. Nach Überzeugung des Senats sollen die Empfehlungen des Berichts der Radarkommission (BdR) allein über den fehlenden Nachweis einer ausreichenden Strahlenexposition “hinweg helfen„. Der BdR ersetzt nicht die gleichwohl hinsichtlich der übrigen Anspruchsvoraussetzungen notwendige Einzelfallprüfung.

3. Der Eintritt einer Beweislastumkehr kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn eine planmäßige Unklarheit wie bei einer Beweisvereitelung, beispielsweise wenn einzelne beweiserhebliche Tatsachen im Staatsinteresse geheim gehalten werden müssen, vorliegt (BSG, Urteil vom 26.2.1992 - 9a RV 4/91 = SozR 3-3200 § 81 Nr 3).

4. Zwar wird im BdR darauf hingewiesen, dass in der Phase 1 trotz grundsätzlich vorhandener Kenntnis von Röntgenstörstrahlung leistungsfähiger Radarsender nicht in größerem Umfang Messungen der Ortsdosisleistung und darauf basierend Abschätzungen möglicher Arbeitsplatzexpositionen vorgenommen wurden. Erst nach alarmierenden Messungen an einem in der Marine eingesetzten Radargerät wurden in der Phase 2 bei steigendem Problembewusstsein nach und nach systematische Messungen durchgeführt. Aufgrund dieser systematischen Messungen kann nach dem BdR in Phase 3 vom Bestehen eines adäquaten Strahlenschutzes ausgegangen werden (BdR S 130 f). Aus dieser Beschreibung kann sicher im Nachhinein auf Unzulänglichkeiten im Umgang mit Strahlenquellen geschlossen werden. Von einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden. Dem BdR können auch keine Hinweise entnommen werden, dass Messergebnisse geheim gehalten werden. Eine Beweislastumkehr kommt daher nicht in Betracht (LSG Stuttgart, Urteil vom 16.07.2008 - L 6 VS 2599/06).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der am … 1946 geborene Kläger begehrt die Feststellung der Gesundheitsstörung “Hämangiozytom des linken Oberschenkels„ als Folge einer Wehrdienstbeschädigung sowie Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) und dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Während seiner Wehrdienstzeit vom 04.01.1966 bis zum 30.06.1967 absolvierte der Kläger vom 04.01.1966 bis zum 28.03.1966 die Grundausbildung in L. sowie vom 29.03.1966 bis zum 30.06.1966 die Ausbildung zum Radarflugmelder in G. (AAP-Zeugnis des I. Fernmelderegiments 31 vom 30.06.1966), die vom 29.03.1966 bis zum 25.04.1966 den 412-L-Lehrgang beinhaltete (Lehrgangsnachweis der Technischen Schule der Luftwaffe 2 L.). Er war vom 01.07.1966 bis zum 30.06.1967 als Radarflugmelder in G./M. eingesetzt (Angaben im Wehrpass, im Personalbogen und in der Wehrdienstbescheinigung vom 23.06.1967). Der Kläger erkrankte im Laufe des Jahres 1982 an einem Hämangiozytom des linken Oberschenkels (Arztbriefe der Medizinischen Klinik der Eberhard-Karls-Universität T. vom 21.05.1984 und 29.11.1985, des Arztes für Innere Medizin Dr. J. vom 10.07.1989 und 13.03.1995 sowie der Ärztin für Innere Medizin Dr. F. vom 25.08.1995). Seitdem bezieht er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 05.12.1982).

Der Kläger machte am 11.10.2001 einen wehrdienstbedingten Strahlenschaden bei der Wehrbereichsverwaltung (WBV) geltend und legte Unterlagen über die Wehrdienstzeit sowie diverse Arztbriefe vor. Die WBV zog die Personalunterlagen über die Wehrdienstzeit des Klägers bei. Auf Anfrage der WBV gab der Kläger an, er sei zur Flugüberwachung, Zielortung/Gefechtsüberwachung als Operator an einem stationären Gerät als Intercept Control Technician (ICT) eingesetzt gewesen. ...

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