Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem Berufsschullehrer, der für eine frühere Verbandstätigkeit von der Versicherungspflicht befreit wurde. Zulässigkeit der Feststellungsklage. Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer oder einem berufsständischen Versorgungswerk mit entsprechender Beitragszahlung wegen selbstständiger anwaltlicher Tätigkeit. keine Befreiung für eine zusätzlich ausgeübte berufsfremde Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Feststellungsklage ist zulässig zur Klärung der Geltung einer früher erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht für weitere Tätigkeiten.

2. "Dieselbe" Beschäftigung iS von § 231 Abs 1 SGB VI liegt nur vor bei Identität zwischen der ursprünglich bei der Befreiung ausgeübten und der aktuellen Tätigkeit. Dies ist nicht gegeben bei einer Befreiung für eine Verbandstätigkeit und der späteren Ausübung einer Tätigkeit als Berufsschullehrer.

3. Für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI reicht es nicht aus, dass jemand Pflichtmitglied in einer Kammer oder einem berufsständischen Versorgungswerk ist und entsprechende Beiträge entrichtet. Vielmehr muss ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zu zwei Versicherungsverhältnisse führen. Übt ein Rechtsanwalt zusätzlich eine Tätigkeit als Berufsschullehrer aus, handelt es sich um eine berufsfremde Tätigkeit, die nicht zur Mitgliedschaft in der Kammer oder dem Versorgungswerk führt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.12.2023; Aktenzeichen B 12 R 1/23 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.11.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten, auch der Beigeladenen, sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für eine neben seiner selbständigen Anwaltstätigkeit ausgeübten Tätigkeit als Lehrer an Berufsschulen des Beigeladenen zu 1. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist bzw. zu befreien ist sowie die Erstattung von zu Unrecht gezahlten Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Der 1957 geborene Kläger ist seit 24.05.1991 bei der Rechtsanwaltskammer T als Rechtsanwalt zugelassen und seit 01.06.1991 Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg, des Beigeladenen zu 2.

Aufgrund seiner ab März 1991 abhängig ausgeübten Beschäftigung beim V beantragte er am 26.06.1991 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), woraufhin diese ihn mit Bescheid vom 10.12.1991 ab 01.06.1991 von der Versicherungspflicht befreite. In dem Bescheid führte die BfA u.a. aus, die Befreiung sei grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstrecke sich auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus auf längstens ein Jahr zeitlich begrenzt seien und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt würden. Die Beschäftigung beim V endete zum 31.01.1992 und im Anschluss war der Kläger nach seinen Angaben von Februar 1992 bis Mai 1997 als freier Mitarbeiter mit eigenen Mandanten in der Rechtsanwaltskanzlei B und Kollegen, C, tätig (Bl. 104 Sozialgerichts[SG]-Akte). Ab Juni 1997 war der Kläger als selbständiger Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei (Bl. 66 SG-Akte) und seit 2018 ist er als Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft in der Kanzlei L & K-B, C, tätig (Bl. 65 und Bl. 104 SG-Akte).

Bereits seit 23.09.2001 war der Kläger neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt als Lehrer im Angestelltenverhältnis für den Beigeladenen zu 1. tätig. Nach seinen Angaben war er zunächst mehrmals befristet und ab 24.09.2004 unbefristet an der H-G-Schule, C, beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag vom 24.09.2004 unterrichtete der Kläger vier Unterrichtsstunden wöchentlich (Regelstundenmaß 25 Unterrichtsstunden wöchentlich) und wurde nach der Vergütungsgruppe IIa Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) entlohnt (Bl. 3 VerwA). Ab 15.10.2014 war der Kläger zusätzlich an der W-S-Schule, T, im Umfang von sechs Unterrichtsstunden wöchentlich (Regelstundenmaß 25 Unterrichtsstunden wöchentlich) beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag vom 09.10.2014 handelte es sich hierbei um eine bis zum 29.07.2015 befristete Tätigkeit als Kranken-, Mutterschutz- und Elternzeitvertretung und die Vergütung erfolgte nach der Entgeltgruppe 12 Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) (Bl. 4 VerwA). Nach Angaben des Klägers wurde diese Beschäftigung mehrmals befristet verlängert und endete schließlich im Februar 2017 (Bl. 104 SG-Akte).

Der Beigeladene zu 1. entrichtete durch das zuständige L für die Beschäftigungen des Klägers bis zum 31.12.2014 Beiträge an den Beigeladenen zu 2. Mit Schreiben vom 02.02.2015 teilte der Beigeladen...

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