Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Befreiungstatbestand. unzumutbare Belastung wegen Arbeitsplatzgefährdung

 

Orientierungssatz

Zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Befreiung des Arbeitgebers von der Pflicht zur Erstattung des Arbeitslosengeldes wegen Gefährdung verbleibender Arbeitsplätze gem § 147a Abs 2 Nr 2 S 1 Alt 2 SGB 3 mangels Nachweis einer unzumutbaren Belastung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Juli 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, die die Beklagte für den früheren Arbeitnehmer der Klägerin H M (M.) in der Zeit vom 6. März 2002 bis 23. Februar 2004 aufgewandt hat.

Die Klägerin verkauft Wärmeerzeugungssysteme für Haustechnik und Industrie und bietet Service-Dienstleistungen für die installierten Heizsysteme an. Nachdem sie im Jahre 1989 die K W GmbH übernommen hatte und unter E K Heiztechnik GmbH firmierte, wurde die gesamte H-Gruppe 1996 von der P AG übernommen und in die W Klima- und Heiztechnik GmbH integriert. Im Jahr 2001 übernahm die M T S. p. A. (MTS), heute A T S. p. A., die H-Gruppe, die durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29. Oktober 2003 seither als E International GmbH firmiert. Bis 2003 hat die Klägerin als operativ tätiges Unternehmen auf dem deutschen und österreichischen Markt agiert. 2003 wurde die Betriebsstätte Österreich in eine eigenständige Gesellschaft eingebracht, nachdem bereits zuvor das schweizerische und das belgische Tochterunternehmen herausgelöst worden waren. Das operative Geschäft Deutschland erfolgt seit 1. Januar 2004 über von E gehaltene Beteiligungen. Die Klägerin hatte im Jahr 2001 bundesweit 788 Mitarbeiter und erzielte bei einem Umsatz von 107.879.000 € ein negatives operatives Ergebnis von 6.734.000 €, im Jahr 2002 wurde mit 773 Mitarbeitern ein Umsatz von 93.513.000 € und ein negatives operatives Ergebnis von 7.452.000 € erzielt. 2003 beschäftigte die Klägerin 701 Mitarbeiter und erzielte bei einem Umsatz von 89.624.000 € ein negatives operatives Ergebnis von 3.681.000 €.

Der am 6. März 1944 geborene M. war vom 8. Oktober 1973 bis 31. März 2000 als technischer Angestellter bei der Klägerin beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete aufgrund Aufhebungsvertrags vom 25. Oktober 1999. Zu diesem Zeitpunkt betrug die ordentliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber sieben Monate zum Monatsende. Für die Zeit vom 1. April 1999 bis 31. März 2000 bezahlte die Klägerin an M. ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 102.241,19 DM. Außerdem bezahlte die Klägerin M. eine Abfindung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes in Höhe von 99.842,00 DM. Anschließend war M. vom 1. April 2000 bis 31. Oktober 2001 bei der m-Beteiligungsgesellschaft mbH beschäftigt und erhielt dort in der Zeit vom 1. November 2000 bis 31. Oktober 2001 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 89.880,04 DM.

Aufgrund der sich daran anschließenden Arbeitslosigkeit bewilligte die Beklagte M. vom 1. November 2001 bis 31. März 2004 antragsgemäß Alg. Seit 1. April 2004 bezieht er Altersrente für schwerbehinderte Menschen von der Seekasse (heute: Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See).

Mit Schreiben vom 26. November 2001 und 15. Juli 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei gem. § 147 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verpflichtet, ihr das an M. seit dessen Vollendung des 58. Lebensjahres gezahlte Alg einschließlich der auf diese Leistungen entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung vierteljährlich in Höhe von insgesamt 7521,71 € für die Zeit vom 6. März 2002 bis 5. Juni 2002 zu erstatten, sofern keiner der in § 147 a Abs. 1 und 2 SGB III genannten Befreiungstatbestände vorliege.

Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schreiben vom 12. August 2002, aufgrund einer betrieblichen Krisensituation habe Personal abgebaut werden müssen. Davon sei auch M. betroffen gewesen. Den Arbeitnehmern sei angeboten worden, in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Beschäftigungsgesellschaft, hier die m-Beteiligungsgesellschaft mbH, überzuwechseln. M. habe zum 1. April 2000 ein befristetes Arbeitsverhältnis bei dieser Gesellschaft aufgenommen und von diesem Zeitpunkt bis 31. Juli 2001 Strukturkurzarbeitergeld bei 100 Prozent Arbeitsausfall bezogen. Trotz Bemühungen der Beschäftigungsgesellschaft habe M. nicht vermittelt werden können. In einer Vielzahl anderer, gleichgelagerter Fälle, in denen Mitarbeiter zur Beschäftigungsgesellschaft gewechselt hätten, sei nie eine Erstattungspflicht eingetreten.

Die Beklagte legte dieses Schreiben der Klägerin als Antrag auf Befreiung von der Erstattungspflicht aus und teilte ihr unter dem 25. September 2002 mit, dass nach dem bis...

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