Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Begründung eines Haushalts iS des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG. Aufenthalt einer Mutter in der Mutter-Kind-Einrichtung einer Justizvollzugsanstalt zur Verbüßung einer Strafhaft. Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG
Leitsatz (amtlich)
In der Mutter-Kind-Einrichtung einer Justizvollzugsanstalt kann kein Haushalt iS des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG begründet werden. Daher haben Mütter, die eine Strafhaft verbüßen, auch dann keinen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie zusammen mit ihrem Kind in einer Mutter-Kind-Einrichtung einer Justizvollzugsanstalt untergebracht sind.
Orientierungssatz
Der Senat geht in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.03.1979 - 7 RAr 98/78 = BSGE 48, 129 bis 134) davon aus, dass es sich bei der von der Klägerin in der Justizvollzugsanstalt gemäß § 37 StVollzG ausgeübten Tätigkeit um eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG handelt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.04.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Elterngeld während der Zeit einer verbüßten Strafhaft.
Die 1979 geborene Klägerin befand sich ab dem 29.03.2007 in der Justizvollzugsanstalt S. G. (JVA) in Untersuchungshaft. Der Regelvollzug begann am 27.09.2007; hieraus wurde die Klägerin am 24.05.2009 entlassen. Während der Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe gebar die Klägerin am 16.11.2007 ihren Sohn J., der mit ihr in der JVA lebte. Vom 21.01.2008 bis zu ihrer Haftentlassung war die Klägerin in einem Arbeitsbetrieb der JVA im Umfang von 34,15 Wochenstunden gegen Entgelt beschäftigt.
Am 25.01.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn J. Darin gab sie an, ihr Mann, der leibliche Vater des Kindes, verbüße ebenfalls eine Haft. Vor und nach der Geburt ihres Kindes habe sie kein Einkommen erzielt. Ausweislich der übersendeten Verdienstbescheinigung der JVA vom 29.02.2008 war die Klägerin ab 21.01.2008 in einem Arbeitsbetrieb der JVA beschäftigt. Sie habe ein durchschnittliches monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 200 Euro brutto bei einem Stundensatz von 1,51 Euro erhalten. Für das Jahr 2007 habe das Bruttoeinkommen einschließlich des Monats Januar 2008 87,53 Euro betragen. Vom Bruttoeinkommen seien für die Gefangenen 2008 1,65 % Pflichtbeiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden. Taschengeld habe die Klägerin wie folgt erhalten: 4,44 Euro für September 2007 sowie jeweils 31,08 Euro für Oktober bis Dezember 2007. Mit Bescheid vom 22.04.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Anspruch auf Elterngeld habe ua wer mit seinem Kind in einem Haushalt lebe und dieses selbst betreue und erziehe. Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht erfüllt, da in einer JVA ein Haushalt nicht begründet werden könne.
Mit ihrem Widerspruch vom 14.05.2008 machte die Klägerin geltend, sie habe sich in einer Mutter-Kind-Abteilung in der JVA befunden, in der ihr die Möglichkeit eingeräumt worden sei, ihr Kind in den ersten beiden Monaten alleine zu betreuen. Ab 14.01.2008 sei sie einer Beschäftigung ca 6,8 Stunden täglich nachgegangen. Während dieser Zeit habe sich ihr Sohn in einem hauseigenen Hort aufgehalten. Ansonsten sei er von ihr betreut worden. Ihr Stundenlohn sei mit 1,51 Euro sehr niedrig. Elterngeld stehe ihr daher zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 2 und 3 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) nicht erfüllt, da sie mit ihrem Sohn J. nicht in einem Haushalt gelebt habe. In einer JVA oder einer Entziehungsanstalt könne ein Haushalt grundsätzlich nicht begründet werden. Dies sei nur in Fällen der Untersuchungshaft möglich, da der bisherige Haushalt in der Regel bestehen bleibe, sodass für die Prüfung einer nur vorübergehenden Abwesenheit vom Haushalt, die dem Anspruch nicht entgegenstehe, die Regelung zur vorübergehenden Unterbrechung der Betreuung nach § 1 Abs 5 BEEG entsprechend anzuwenden sei. Dies sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Im Übrigen scheitere ihr Anspruch an § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG. Danach erhalte Elterngeld derjenige, der keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe. Nach § 1 Abs 6 BEEG sei eine Person nicht voll erwerbstätig, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteige. Maßgeblich seien die tatsächlich gearbeiteten Stunden im jeweiligen Lebensmonat, für den Elterngeld beansprucht werde. Ab 21.01.2008 sei die Klägerin einer vollen Erwerbstätigkeit mit durchschnittlich 34,15 Wochenstunden nachgegangen. Aus diesem Grund habe ab dem 4. Lebensmonat ihres Sohnes J. kein Anspruch auf Elterngeld bestanden. Letztlich stehe i...