Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelaltersrente. Vermeidung von Doppelanrechnungen. Ruhegehaltsfähige Dienstzeit. Verfassungsmäßigkeit. Vormerkungsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

Das System der Versorgung nach den beamtenrechtlichen Vorschriften stellt auch für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder eine systembezogen gleichwertige Versorgung iS des § 56 Abs 4 Nr 3 Halbs 2 SGB VI dar. Für die Annahme des Ausschlusses genügt es, dass das System der Beamtenversorgung, in das der erziehende Elternteil einbezogen ist, grundsätzlich Leistungen für Kindererziehung und deren Berücksichtigung in der Altersversorgung vorsieht, ohne dass im Einzelfall eine Berücksichtigung auch erfolgt sein muss.

 

Normenkette

SGB VI § 56 Abs. 1, 4 Nr. 3, § 249 Abs. 1, § 149 Abs. 5; BeamtVG BW § 106 Abs. 1; SGB X § 39 Abs. 2; SGG § 86; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Dezember 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vom 01.11.1984 bis 31.10.1986 bei der Berechnung der Regelaltersrente der Klägerin streitig.

Die 1949 geborene Klägerin ist Mutter einer 1979 geborenen Tochter und eines 1984 geborenen Sohnes. Sie stand - zuletzt als Oberstudienrätin - in einem Beamtenverhältnis beim Land Baden-Württemberg. Mit Bescheid vom 02.07.2013 setzte das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) Baden-Württemberg das der Klägerin ab dem 01.08.2013 zustehende Ruhegehalt in Höhe von 67,73 v.H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge fest. Bei der Berechnung der maßgebenden ruhegehaltsfähigen Dienstzeit und des maßgebenden Ruhegehaltssatzes wurden folgende Zeiten berücksichtigt:

01.04.74 - 15.06.77

Ausbildung an einer Hochschule - begrenzt ruhegehaltsfähig

10.08.77 - 30.01.79

Vorbereitungsdienst im Beamtenverhältnis auf Widerruf

31.01.79 - 31.07.79

Dienstzeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst

(anteilmäßig ruhegehaltsfähig; Anteil 13,50/27,00)

03.09.79 - 15.08.93

Dienstzeit im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeit

16.08.93 - 21.08.94

Dienstzeit im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeit

(anteilmäßig ruhegehaltsfähig; Anteil 23,00/27,00)

22.08.94 - 31.07.97

Dienstzeit im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeit

(anteilmäßig ruhegehaltsfähig; Anteil 24,00/27,00)

01.08.97 - 31.07.13

Dienstzeit im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeit.

Am 29.10.2014 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Regelaltersrente oder Altersrente wegen Schwerbehinderung ab dem 01.12.2014; am 24.11.2014 beantragte sie die Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für ihren Sohn, den sie von der Geburt bis zu dessen vollendeten 10. Lebensjahr erzogen habe. Auf dem Zusatzfragebogen zur Kindererziehung gab sie an, den Sohn gemeinsam mit ihrem Ehemann erzogen zu haben, wobei das Kind überwiegend von ihr erzogen worden sei. Diese Angaben bestätigte der Ehemann der Klägerin jeweils mit seiner Unterschrift. Die Kinderziehungszeit für die Tochter war nach einem am 23.02.2012 vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 10 R 1336/11) geschlossenen Vergleich dem Ehemann der Klägerin zugeordnet worden.

Mit Bescheid vom 17.04.2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Regelaltersrente und Altersrente wegen Schwerbehinderung ab, da die Klägerin die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt habe. Das Versicherungskonto enthalte bis zum 30.11.2014 statt der erforderlichen 60 Monate nur 57 Monate Pflichtbeitragszeiten. Aus dem Versicherungsverlauf, der Bestandteil des Bescheides wurde, gehen Pflichtbeitragszeiten (01.01.67 bis 31.12.67, 01.02.79 bis 23.08.79, 01.02.79 bis 25.07.79 und 24.08.79 bis 04.09.79), Zeiten der Hochschulausbildung (01.04.74 bis 15.06.77) und Zeiten geringfügiger nicht versicherungspflichtiger Beschäftigung (01.08.2003 bis 30.04.2013) hervor. Die Klägerin wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, die fehlenden drei Monate freiwillig einzuzahlen, um einen Anspruch auf Regelaltersrente beanspruchen zu können.

Mit Vormerkungsbescheid vom 17.04.2015 stellte die Beklagte die Zeiten bis 31.12.2008 fest. Die Zeiten vom 09.08.1979 bis 15.11.1979 und vom 10.09.1984 bis 17.12.1984 könnten nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil während des Mutterschutzes ein beamtenrechtliches Dienstverhältnis bestanden habe. Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehungszeiten für die Tochter seien nicht zu berücksichtigen. Für den 1984 geborenen Sohn sei die Zeit vom 01.11.1984 bis 31.10.1986 nicht als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 22.10.1984 bis 21.10.1994 nicht als Berücksichtigungszeit vorzumerken, da die Klägerin während dieser Zeiten Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erworben habe, die nach den Regelungen der geset...

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