Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. angemessene Lernförderung. Legasthenie
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB II bei Legasthenie (hier verneint).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. April 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die (zuschussweise) Erstattung bzw. Übernahme der Kosten eines Einzelförderunterrichts wegen Legasthenie/Dyslexie (Lese-/Rechtschreibschwäche) bzw. Dyskalkulie (Rechenschwäche) durch den Beklagten im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die Klägerin ist 1995 geboren und bezieht seit Jahren Leistungen nach dem SGB II. Die allgemeinbildende Schule beendete sie ohne Abschluss. Von September 2014 bis März 2016 absolvierte sie ein freiwilliges soziales Jahr, anschließend einen Schreibmaschinenkurs. Seit August 2015 nimmt sie Einzelunterrichtsstunden im ASS Lerntherapiezentrum für Legasthenie, Dyskalkulie und Früherkennung H. einer als freie Unterrichtseinrichtung im Sinne des § 16 Privatschulgesetz Baden-Württemberg anerkannten Einrichtung, zur Behandlung von Legasthenie und Dyskalkulie; hierfür entstehen Kosten in Höhe von monatlich 205,00 €, die von einem Bekannten der Mutter der Klägerin, Herrn A. C., getragen werden. Zwischen August 2015 und einschließlich August 2016 sind insoweit Kosten von insgesamt 2.770,00 € für die lerntherapeutische Betreuung sowie für Diagnostik und Beratung an das ASS Lerntherapiezentrum H. bezahlt worden. Seit dem 12. September 2016 besucht die Klägerin zudem die M. Akademie für soziale Berufe; sie nimmt dort bis zum 31. Juli 2018 an der zweijährigen Berufsfachschule für Sozialpflege - Schwerpunkt Alltagsbetreuung - teil.
Die Klägerin beantragte erstmals am 4. Mai 2015 beim Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Therapie wegen “Legasthenie (Leseschwäche) und Dyslexie (schlechte/falsche Wiedergabe/Redeweise)„. Sie habe eindeutig Legasthenie und Dyslexie und benötige fachmännische Hilfe. Sie beantrage die Übernahme der Kosten für die wissenschaftliche Therapie, die sie in Anspruch nehmen müsse und wolle, damit sie ihre Schwächen ausgleichen könne, um ein gesundes Selbstwertgefühl zu erlangen, damit künftig Minderwertigkeitsgefühle ausblieben, von sozialen und seelischen Schäden “ganz zu schweigen„. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 6. Mai 2015 und - nach dem Widerspruch der Klägerin vom 11. Mai 2015 - mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2015 ab.
Einen gleichgerichteten Antrag der Klägerin lehnte die AOK Baden-Württemberg mit Bescheid vom 13. Mai 2015 ab. Eine Teilleistungsstörung sei keine Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts.
Einen weiteren Antrag der Klägerin vom 27. Mai 2015 lehnte die Stadt H. als Trägerin der Jugendhilfe mit Bescheid vom 12. August 2015 ab. Die Voraussetzungen des § 41 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) lägen nicht vor, weil allein durch eine Legasthenie- bzw. Dyskalkuliebehandlung eine Persönlichkeitsentwicklung und eine eigenverantwortliche Lebensführung nicht erreicht werden könnte. Die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII lägen ebenfalls nicht vor. Selbst wenn bei der Klägerin eine signifikante Standardabweichung von 1,5 im Sinne des ICD-10 vorliege, ließen sich Schwierigkeiten bei der sozialen Integration weder im Rahmen des freiwilligen sozialen Jahres noch im familiären Bereich erkennen. Eine soziale Beeinträchtigung bei der Eingliederung und der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft könne daher nicht festgestellt werden.
Am 26. Januar 2016 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten (erneut) die Kostenübernahme für eine Therapie wegen Legasthenie und Dyslexie.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. Januar 2016 ab. Alle Bedarfe mit Ausnahme der in § 24 Abs. 3 SGB II genannten Bedarfe seien mit der Regelleistung abgegolten. Die Therapiekosten bzgl. der Legasthenie fielen nicht unter die in § 24 Abs. 3 SGB II genannten Ausnahmen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 29. Januar 2016 Widerspruch, den die Widerspruchsstelle des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2016 zurückwies. Für etwaige Ergänzungs- oder Sonderbedarfe, zu denen auch die Therapiekosten aufgrund der Lese- und Rechenschwäche der Klägerin zählten, seien Ansparungen aus der Regelleistung vorzunehmen, damit ein solcher Bedarf gedeckt werden könne. Eine Ausnahme stellten die in §§ 21, 22 und 24 bis 29 SGB II genannten sonstigen Bedarfe dar. Die Therapiekosten bei einer Legasthenie/Dyskalkulie seien darin allerdings nicht vorgesehen. Ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasster und unabweisbarer Bedarf sei bei diesen Kosten nicht gegeben. Somit komme auch eine darlehensweise Kostenübernahme nicht in Betracht.
Am 18. April 2016 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG...