Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Vergütung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Zulässigkeit der Untergliederung des baden-württembergischen Gemeinsamen Beschwerdeausschusses in Kammern. Eigenständigkeit des Beschwerdeausschusses trotz organisatorischer Unterstützung durch die Prüfungsstelle. Zulässigkeit eines Abstellens auf den arithmetischen Mittelwert. hohe Homogenität des Behandlungsverhaltens bei Zahnärzten. Spezialisierung auf Füllungsleistungen als Praxisbesonderheit (hier: verneint)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Untergliederung des bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg eingerichteten Gemeinsamen Beschwerdeausschusses in Kammern ist lediglich ein die Geschäftsführung betreffendes, organisatorisches Strukturelement, zu dessen Einrichtung § 1 Abs. 2 der Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung vom 05.01.2004 auf der Grundlage des § 106 Abs. 4a Satz 9 SGB V i.d.F. des GKV-WSG ermächtigt.
2. Durch die organisatorische Unterstützung des Beschwerdeausschusses durch die Prüfungsstelle wird die Eigenständigkeit des Beschwerdeausschusses nicht in Frage gestellt.
3. Das Abstellen der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den arithmetischen Mittelwert und nicht die statistische Methode der Gauß’schen Normalverteilung ist nicht zu beanstanden.
4. Es ist von einer grundsätzlichen hohen Homogenität des Behandlungsverhaltens in der Gruppe der Zahnärzte auszugehen. Für die Prüfung nach Durchschnittswerten sind Untergruppen mit bestimmten Behandlungsschwerpunkten nicht zu bilden.
5. Die Spezialisierung eines Zahnarztes im Bereich der Füllungsleistungen stellt keine Praxisbesonderheit dar.
Nachgehend
BSG (Beschluss vom 24.07.2024; Aktenzeichen B 6 KA 21/23 B) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.11.2019 wird zurückgewiesen
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 59.017,29 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Festsetzung einer Honorarkürzung aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung in den Quartalen 2/2012 und 3/2012.
Der Kläger, ist seit 1990 mit Sitz in S1 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Im streitgegenständlichen Zeitraum war ein angestellter Zahnarzt in der Praxis des Klägers tätig. Des Weiteren war seine Ehefrau als Kieferorthopädin in der Praxis tätig.
Mit Schreiben vom 11.02.2013 und 16.05.2013 zeigte die Gemeinsame Prüfungsstelle Baden-Württemberg für vertragszahnärztliche Leistungen, Bezirksprüfungsstelle S1, dem Kläger die Einleitung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale 2/2012 und 3/2012 wegen statistischer Auffälligkeiten an. Mit Schreiben vom 26.06.2013 informierte die Prüfungsstelle den Kläger über die bevorstehende Prüfung der einzelnen Gebührennummern (GNR) 13a (F1), 13b (F2), 13c (F3), 49 (Exz1), 106 (sK), 10 (üZ) und 50 (Exz2) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen (BEMA-Z). Er wurde aufgefordert mitzuteilen, ob seine Ausführungen zur Füllungstherapie bzw. Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Einsparungen das Quartal 1/2009 betreffend herangezogen werden könnten, oder ob es zu den betreffenden Quartalen andere Erkenntnisse gebe. Zudem sei eine Liste der Neupatienten vorzulegen. Auf Verlangen des Klägers übersandte die Prüfungsstelle die Statistiken der Quartale 1/2012 bis 4/2012 für die Bereiche PAR, ZE, KBR und IP.
Der Kläger erhob Einwendungen gegen die 100-Fall-Statistik und legte eine Nachberechnung vor. Außerdem wies er darauf hin, dass sich aus den Statistiken kompensatorische Einsparungen in den Bereichen Extraktionen, Endo-Behandlungen, Chirurgie, Parodontose-Behandlungen und Zahnersatz sowie Praxisbesonderheiten aufgrund seines schon seit Jahrzehnten bestehenden Tätigkeitsschwerpunktes „Zahnerhaltung und Prophylaxe“ ableiten ließen. Bei der Landeszahnärztekammer sei zu erfragen, wie viele Praxen den Schwerpunkt „Zahnerhaltung und Prophylaxe“ angezeigt hätten. Seine Patientenklientel habe aufgrund der niedrigen Extraktionszahlen mehr Zähne im Mund als die Vergleichsgruppe. Aus einem Vergleich der abgerechneten Röntgenleistungen ergebe sich, dass seine Praxis außerdem eine überdurchschnittliche Anzahl an Neupatienten aufweise; diese brächten einen wesentlich höheren Füllungsaufwand mit. Aufgrund des Rufs seiner Praxis kämen gehäuft Patienten, um zahnerhaltende Leistungen abzurufen; nach Abschluss der Behandlung kehrten diese wieder zu ihrem Hauszahnarzt zurück. Den vorgelegten Patientenlisten sei zu entnehmen, dass im Quartal 2/2012 13 % seiner Patienten „Neupatienten“ gewesen seien, wobei auch solche als Neupatienten gewertet worden seien, die zwar schon im Vorquartal neu aufgenommen worden seien, im streitigen Quartal aber Füllungsleistungen erhalten hätten. Diese 90 (von insgesamt 693) Patienten hätten 44,4 % aller Füllungsleistungen, fast die Hälfte der Cp-Leistungen sowie 37,5...