Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Einkommensberücksichtigung bzw -berechnung. Absetzung der den Zuschuss nach § 26 SGB 2 überschreitenden Privatkrankenversicherungsbeiträge. Beschränkung auf die Versicherungspauschale. verfassungskonforme Auslegung. Beschränkung des Zuschusses zu den Versicherungsbeiträgen auf die Hälfte des Basistarifs. Zumutbarkeit des Wechsels in den Basistarif
Leitsatz (amtlich)
Beiträge zur privaten Krankenversicherung, die den nach § 26 Abs 2 SGB 2 zu übernehmenden Zuschuss übersteigen, sind im Rahmen des § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 2 von der Pauschale von 30,00 € gem § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V (juris: AlgIIV 2008) umfasst. Tatsächliche höhere Aufwendungen können nicht von einem Einkommen des Leistungsberechtigten abgesetzt werden.
Orientierungssatz
1. Der vom BSG (Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R = BSGE 107, 217) in Analogie zu § 26 Abs 2 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB 2 angenommene Anspruch auf Übernahme der Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung, soweit diese die Höhe der für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beiträge übersteigen und deshalb vom Anspruch nach § 26 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 iVm § 12 Abs 1c S 6 VAG nicht umfasst sind, ist auf die Höhe des halben Beitrags zum Basistarif beschränkt (Anschluss an LSG München vom 29.6.2011 - L 16 AS 337/11 B ER = info also 2011, 227).
2. § 204 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b VVG 2008 ermöglicht im Falle der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 oder SGB 12 auch bei Verträgen, die vor dem 1.1.2009 abgeschlossen worden sind, einen Wechsel in den Basistarif unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Altersrückstellung ohne Rücksicht auf das Lebensalter und über den 1.7.2009 hinaus.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. August 2011 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Beteiligten streiten um die Absetzung höherer Aufwendungen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung von den anderweitigen Einkünften des Klägers.
1. Der am … 1957 geborene Kläger war als Journalist abhängig beschäftigt gewesen. Er hatte bereits im Jahre 1976 im Rahmen einer Gruppenversicherung einen Krankenversicherungsvertrag bei der Deutschen Krankenversicherung AG (im Folgenden DKV), einem privaten Versicherungsunternehmen, abgeschlossen, der später um die private Pflegepflichtversicherung ergänzt worden war. Nachdem der Kläger etwa ab November 2007 arbeitsunfähig erkrankt war, endete sein Beschäftigungsverhältnis zum 31.03.2008. Er bezog von der DKV Krankentagegeld in Höhe von € 185,00 täglich. Die DKV stellte die Zahlung dieser Leistung mit dem 23.02.2010 ein, weil sie den Kläger für berufsunfähig im Sinne der Vertragsbedingungen hielt. Wegen des Bezugs von Krankentagegeld hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits mit Bescheid vom 10.01.2008 einen Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) abgelehnt.
2. Der Kläger beantragte am 30.04.2010 bei dem beklagten Jobcenter (im Folgenden: Beklagter) erstmals Leistungen nach dem SGB II. Er war am 01.04.2010 in den Zuständigkeitsbezirk des Beklagten gezogen. Er hatte zusammen mit einem Ehepaar eine Wohnung für € 1.600,00 nettokalt und € 150,00 kalte Nebenkosten monatlich angemietet. Der Kläger zahlte nach interner Vereinbarung die Hälfte dieser Miete bzw. konkret zweimonatlich € 1.750,00 an die vermietende Erbengemeinschaft. Für die Kranken- und Pflegeversicherung bei der DKV musste er seit März 2010 monatlich € 515,40 (darunter € 27,11 für die Pflegepflicht- und € 35,61 für eine Pflegetagegeldversicherung, die Krankentagegeldversicherung wurde seit 24.02.2010 nur noch als Anwartschaft geführt) aufwenden. Der Kläger bezog zu diesem Zeitpunkt eine Witwerrente von € 795,88 monatlich, die sich aus einer Nettorente von € 743,81 und einem Zuschlag zu den Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung von € 52,07 zusammensetzte. Ferner war er Eigentümer einer Wohnung, die nach einer Auskunft des Gutachterausschusses der Stadt Neuss aus der amtlichen Kaufpreissammlung einen Verkehrswert von ca. € 54.000,00 hatte. Diese Wohnung war mit einer Grundschuld über DM 170.000,00 belastet. Die durch sie abgesicherten Darlehen valutierten (Stand Ende 2009) noch mit etwa € 175.000,00. Für diese Darlehen wandte der Kläger monatliche Schuldzinsen von € 1.002,00 auf. Aus der Vermietung der Wohnung nahm der Kläger monatlich € 535,00 ein, dem standen vermietungsbedingte Aufwendungen (ohne Zinsen) von € 179,00 gegenüber. Auf einem Tagesgeldkonto des Klägers befanden sich noch ein Guthaben von etwas mehr als € 9.000,00 (Stand 23.04.2010), nachdem der Kläger seit Februar 2010 von diesem Konto etwas mehr als € 10.000,00 für seinen Lebensunterhalt verbraucht...