Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. Nichtberücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Taggeld eines privaten Krankenversicherungsunternehmens in der Schweiz. keine Berücksichtigung als Beitrags-/Versicherungszeit. EGV 883/2004
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bezug eines Taggeldes von einer privaten Krankenversicherung in der Schweiz begründet kein bei der Anwartschaftszeit nach § 26 Abs 2 Nr 2 SGB III zu berücksichtigendes Versicherungspflichtverhältnis, wenn der Versicherte innerhalb der Rahmenfrist nicht im Geltungsbereich des SGB III beschäftigt und auch keinen Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III hatte.
2. Der Bezug eines Krankentaggelds auf Basis einer privaten Krankentaggeldversicherung in der Schweiz führt zu keiner einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung rechtfertigenden Beitrags- /Versicherungszeit in der Schweiz. Eine Anrechnung kann erfolgen, wenn wegen Krankheit zwar kein Lohn bezogen, aber im betreffenden Zeitraum noch ein Arbeitsverhältnis bestand.
3. Ein Antragsteller in Deutschland kann sich für das beantragte Arbeitslosengeld nicht mit Erfolg auf das in Art. 61 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 (juris: EGV 883/2004) normierte Gebot, Versicherungszeiten zusammenzurechnen, unter Hinweis auf den Bezug von schweizerischem Krankentaggeld berufen. Normzweck des Art 61 VO (EG) Nr 883/2004 ist nicht, Zeiten anwartschaftsbegründend werden zu lassen, die dies nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht sind.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.10.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er begehrt von der Beklagten die Zahlung von Arbeitslosengeld I (Alg).
Der 1955 geborene Kläger war vom 1.02.2006 bis zum 31.01.2015 als Logistikmitarbeiter in der Schweiz (S.) beschäftigt. Er hatte währenddessen seinen Wohnsitz in Deutschland. Der Kläger wurde arbeitsunfähig krank (letzter geleisteter Arbeitstag: 17.09.2014) und erhielt von seinem Arbeitgeber Lohnzahlung bis einschließlich 31.01.2015. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 28.11.2014 zum 31.01.2015. Ab 01.2.2015 bis 18.05.2016 bezog der Kläger aus durch den Kläger weitergeführter Versicherung Krankentaggeld von der S. Gesundheitsorganisation nach dem VVG (Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag Schweiz). Der Anspruch auf Krankentaggeld endete mit Ablauf des 18.05.2016. Seit 01.06.2016 bezieht der Kläger vom Jobcenter L. Leistungen nach dem SGB II.
Am 03.05.2016 meldete der Kläger sich bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte Alg mit Wirkung zum 19.05.2016. Er gab - u.a. - an, unmittelbar vor Beginn der Arbeitslosigkeit in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht gesetzlich versichert gewesen zu sein.
Mit (bestandkräftig gewordenem) Bescheid vom 07.06.2016 lehnte die Beklagte den Antrag vom 19.05.2016 ab. Der Kläger sei innerhalb der Rahmenfrist vom 19.05.2014 bis 18.05.2016 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und erfülle die Anwartschaftszeit nicht. Zeiten, die von einem Mietgliedstaat der Europäischen Union bescheinigt seien, seien berücksichtigt worden.
Unter dem 17.10.2016 stellte der Kläger am 19.10.2016 schriftlich einen weiteren Antrag auf Alg. Dieser Antrag wurde mit (bestandkräftig gewordenem) Bescheid vom 20.10.2016 mangels persönlicher Arbeitslosmeldung abgelehnt.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2017 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 07.06.2016 und 20.10.2016 gemäß § 44 SGB X. Er machte geltend, er habe bis 18.05.2016 schweizerisches Krankentaggeld der S. erhalten. Gemäß Art. 61 VO (EG) 883/2004 gelte der schweizerische Krankentaggeldbezug in selber Weise, wie wenn er deutsches Krankengeld aus deutscher gesetzlicher Krankenversicherung erhalten hätte. Verzögerungsfreies Alg hätte gewährt werden müssen. Im Zuge der sozialrechtlichen Herstellung und Restitution sei dem Antrag rückwirkend voll zu entsprechen.
Mit Bescheid vom 27.06.2017 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag hinsichtlich der Bescheid vom 07.06.2016 und 20.10.2016 ab.
Hiergegen legte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 07.07.2017 unter Verweis auf sein Antragsvorbringen Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Bescheide seien rechtmäßig. Der Antrag des Klägers vom 19.05.2016 sei mit Bescheid vom 07.06.2016 abzulehnen gewesen sei, da der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. In der Rahmenfrist vom 19.05.2014 bis 18.05.2016 nur 253 Kalendertage zu berücksichtigen gewesen, in denen der Kläger versicherungspflichtig gewesen sei. Die Zeiten des Krankentaggeldbezugs seien nicht berücksichtigungsfähig. Art. 61 VO 883/2004 komme nicht zur Anwendung, da während des Krankentaggeldbezugs keine Zeiten der Ver...