Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenversicherung. Beitragserstattung. Verjährung. unzulässige Rechtsausübung. Mitverursachung der unrechtmäßigen Beitragsentrichtung. im Rahmen der Betriebsprüfung auch bei Kleinbetrieben keine individuelle Prüfung der Sozialversicherungspflicht einzelner Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist wegen unzulässiger Rechtsausübung (Verstoß gegen Treu und Glauben) ausgeschlossen, wenn eine Pflichtverletzung eines Sozialversicherungsträgers die fehlerhafte Beitragszahlung mit verursacht hat. Eine Mitverursachung der unrechtmäßigen Beitragsentrichtung ergibt sich nicht daraus, dass im Rahmen einer durchgeführten Betriebsprüfung keine individuelle Prüfung der Sozialversicherungspflicht einzelner Arbeitnehmer stattgefunden hat.

Dies gilt auch für Kleinbetriebe. Eine Unterscheidung zwischen kleinen und großen Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzzweck von Betriebsprüfungen lässt sich weder aus dem SGB 4 noch der Beitragsüberwachungsverordnung herleiten. (Fortführung LSG Stuttgart vom 18.11.2009 - L 13 AL 1975/09).

 

Tenor

Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Mai 2009 werden zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten auch der Berufungsverfahren zu tragen.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 13.784,33 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die weitergehende Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung streitig.

Die Klägerin betreibt eine Zimmerei und ein Sägewerk. Das Stammkapital der Klägerin von 50.000,- DM wird von den Brüdern F. (F.) und A. H. (A.) zu jeweils 22.500,- DM und von der geschäftsführenden Gesellschafterin G. S. zu 5.000,- DM gehalten. A. war ab 1991 für die Klägerin als Zimmerer und Betriebsleiter des Sägewerks O. tätig. Grundlage bildete ein Dienstvertrag vom 11. März 1991. F. war gemäß Dienstvertrag vom 12. September 1990 als Zimmermeister angestellt; er war ebenfalls als Betriebsleiter tätig. Für F. und A. wurden für die Zeit ihrer Beschäftigung bei der Klägerin Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt.

Die Klägerin führte vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) ein Verfahren gegen die Beklagte, in welchem sie die Gewährung von Kurzarbeitergeld für F. und A. begehrte (Az.: S 3 AL 881/03). Mit rechtskräftigem Urteil vom 23. Januar 2007 wies das SG die Klage ab und führte zur Begründung u.a. an, F. und A. seien keine Arbeitnehmer.

Die Klägerin beantragte erstmalig am 17. März 2003 bei der Innungskrankenkasse B./ O. (IKK) die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab dem 1. Januar 1991, hilfsweise die Erstattung der noch nicht verjährten Ansprüche.

Unter dem 27. März 2007 beantragte die Klägerin neuerlich die Erstattung zu Unrecht erbrachter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung für F. und A. Sie begründete ihren Antrag damit, F. und A. seien als mitarbeitende Gesellschafter nach dem Urteil des SG Konstanz nicht versicherungspflichtig gewesen. Die IKK leitete den Antrag betreffend der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung am 16. Mai 2007 an die Beklagte weiter.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass über den Antrag noch nicht entschieden werden könne, da die Erstattungsansprüche teilweise verjährt seien. Die Einrede werde jedoch dann nicht erhoben, wenn die Entrichtung der Beiträge infolge fehlerhaftem Verwaltungshandeln erfolgt sei. Bevor hierüber entschieden werde, erhalte die Klägerin Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Die Klägerin teile hierzu unter dem 6. Juni 2007 mit, die Landesversicherungsanstalt Baden- Württemberg (LVA) habe mit Prüfbericht vom 14. Februar 2000 festgestellt, dass die Versicherungspflicht von F. und A. zutreffend beurteilt worden sei. Ein weiterer Prüfvermerk der IKK befinde sich im Lohnkonto des F. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung seien jeweils nachentrichtet und schließlich bis 2007 gezahlt worden. Mit der Stellungnahme wurde u.a. eine Mehrfertigung des Bescheides der LVA vom 14. Februar 2000 vorgelegt, in dem u.a. angeführt ist, dass “die stichprobenartige Überprüfung der Abrechnungsfälle bezüglich der Versicherungs- und Beitragspflicht„ keine Beanstandungen ergeben habe. Ferner ist dort angeführt, dass die Bundesversicherungsanstalt den Unterbetrieb in E. bis 31. Dezember 1996 geprüft habe, weswegen Feststellungen aus dem Lohnsteuerbericht betreffend A. und Fr. S.nicht mehr sozialversicherungsrechtlich ausgewertet werden.

Mit Bescheiden vom 19. Juni 2007 entschied die Beklagte, dass die Beiträge jeweils in voller Höhe zu Unrecht entrichtet worden seien. Die Erstattungsansprüche seien jedoch für die Beiträge der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 30. November 1998 verjährt. Die Beklagte bezifferte den an die Klägerin auszuzahlenden Betrag auf im Fall des F. auf 6.134,97 € und betreffend A. auf 7.253,63 €. Diese Beträge zahlte sie als Arbeitgeberanteil der Beiträge an die Klägerin aus. Gleichfalls mit Bescheiden vom 19. Juni 2007 traf sie ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge