Leitsatz (amtlich)

Ein Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (hier Weihnachtsfeier) besteht nicht (mehr), wenn das Unfallereignis nach Veranstaltungsende und an einem anderen Ort stattfindet. Ein Wegeunfall liegt nicht vor, wenn sich der Versicherte auf einem unversicherten, auf Alkoholkonsum beruhenden Abweg befindet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.12.2023; Aktenzeichen B 2 U 89/23 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Ereignisses vom 15.12.2018 als Arbeitsunfall.

Der 1960 geborene Kläger war seit Juli 2015 bei der Fa. D1 S1 GmbH in N1 als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik beschäftigt. Seit dem 01.10.2019 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Nach einer Schulteroperation links bestand beim Kläger seit dem 11.09.2018, so auch am Vortrag des angeschuldigten Ereignisses und am Ereignistag selbst, Arbeitsunfähigkeit (ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Id 13 VerwA). Am 14.12.2018, einem Freitag, fand die betrieblich organisierte Weihnachtsfeier der Fa. D1 in der Lokalität „W1“ in N1 - wenige hundert Meter vom Unternehmenssitz entfernt - statt, zu der alle 30 Beschäftigten des Unternehmens, auch der Kläger, eingeladen waren. Die Feier, an der 25 Betriebsangehörige einschließlich dem Kläger und dem Geschäftsführer des Unternehmens (D2) sowie drei betriebsfremde Personen teilnahmen, diente ausweislich der Angaben des Geschäftsführers der Stärkung der Betriebsverbundenheit und beinhaltete auch einen Geschäftsführungsbericht über das vergangene Jahr. Die Kosten für die Raummiete und das Catering trug das Unternehmen. Die Veranstaltung begann um 18.00 Uhr und endete ausweislich der Auskunft des Geschäftsführers vom 27.12.2018 (Id 14 S. 2 f. VerwA) um ca. 01.30 Uhr.

Nach eigenen Angaben des Klägers (Id 33 S. 1 VerwA) hatte er nach Anreise zur Weihnachtsfeier seinen Pkw auf dem Firmenparkplatz abgestellt. In der Nacht habe er sodann mit einem weiteren Kollegen zu einem Zeitpunkt, zu dem keine Vorgesetzten mehr anwesend gewesen seien, die Feier verlassen. Man habe zunächst, weil man sich alkoholkonsumbedingt nicht mehr fahrtüchtig „gefühlt“ habe, den Entschluss gefasst, ein Taxi zwecks Heimfahrt (der Kläger lebte zu dieser Zeit noch in F1, ca. 25 km von N1 entfernt) herbeizurufen. Da dies nicht gelungen sei, hätten sie beschlossen, im „Aufenthaltsraum“ des Unternehmens zu übernachten, wie dies „mit Einverständnis der Vorgesetzten“ auch andere Mitarbeiter zuvor „gelegentlich“ gemacht hätten.

Der Geschäftsführer hat angegeben (Id 5 VerwA), der Kläger habe sich im Anschluss an die Weihnachtsfeier ohne sein (des Geschäftsführers) Wissen zusammen mit einem Arbeitskollegen in die Betriebsküche begeben, wo beide mangels anderweitiger betrieblicher Schlafmöglichkeiten auf Stühlen sitzend und mit auf der Tischplatte abgelegtem Oberkörper/Kopf die Nacht verbracht hätten.

Am Morgen des 15.12.2018 gegen 06.00 Uhr begab sich der Kläger noch alkoholisiert - so übereinstimmend der D-Arzt S2 (D-Arzt-Bericht vom 15.12.2018, Id 15 VerwA) und die Ärzte der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T1 (Entlassungsbericht vom 16.12.2018, Id 3 VerwA) - auf den Weg zur Toilette. Er machte dabei ausweislich der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 19.12.2018 (Id 2 VerwA) kein Licht an und stürzte die Treppe zu den Toilettenräumen hinab. Dabei zog sich der Kläger eine traumatische Querschnittslähmung mit Instabilität im Segment HWK 3/4 und Myelonkontusion bei retrograder Amnesie hinsichtlich des Sturzereignisses sowie Schürfungen im Bereich der Stirn zu (D-Arzt-Bericht und Entlassungsbericht a.a.O.).

Mit Bescheid vom 08.01.2019 (Id 17 VerwA) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 15.12.2018 als Arbeitsunfall ab. Nachdem die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gegen 01.30 Uhr geendet habe, habe auch kein innerer Zusammenhang mehr mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit bestanden. Der ohne Wissen des Arbeitgebers stattgehabte nächtliche Aufenthalt in der Betriebsstätte sei von eigenwirtschaftlichen Belangen geprägt gewesen und damit unversichert. Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26.03.2019, Id 35 VerwA).

Hiergegen hat der Kläger am 25.04.2019 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der er die Feststellung des Unfalls vom 15.12.2018 als Arbeitsunfall begehrt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, der Weg zur Toilette auf dem Betriebsgelände sei „auf Grund“ einer betrieblichen Veranstaltung erfolgt. Auch die Übernachtung im Betrieb sei „betrieblich veranlasst“ gewesen, wobei es keine Rolle spiele, ob ein Einverständnis des Geschäftsführers vorgelegen habe oder nicht. Zum ...

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