Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenkasse. Apothekerin. Verhängung einer Vertragsstrafe wegen Falschabrechnung durch Verwaltungsakt. Ausschluss einer echten Leistungsklage
Orientierungssatz
Eine Krankenkasse hat gegenüber einer Apothekerin die Verhängung einer Vertragsstrafe wegen Falschabrechnung mittels Verwaltungsakt festzusetzen. Die Erhebung einer echten Leistungsklage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20.01.2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 6.560 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Vertragsstrafe iHv 6.560 €
Die Beklagte ist Inhaberin einer Apotheke. Sie rechnete im Juni und Juli 2011 zulasten der Klägerin als gesetzliche Krankenkasse im Rahmen der Arzneimittelversorgung falsch ab. Die Medikamente Metoprolol Succinat Beta 47,5 und Metoprolol Succinat Beta 95 waren seinerzeit Gegenstand eines Rabattvertrages zwischen der Klägerin und dem Hersteller. Diese Medikamente waren in den Monaten Juni und Juli 2011 noch nicht lieferbar. In dieser Zeit gab die Beklagte in insgesamt 44 Fällen an Versicherte der Klägerin andere Präparate ab. Gleichwohl bedruckte sie die entsprechenden Kassenrezepte mit der Pharmazentralnummer (PZN) der vom Rabattvertrag erfassten Präparate, legte diese Rezepte bei der Klägerin zur Abrechnung vor und erhielt dementsprechend die Vergütung. Vergleichbare Vorfälle gab es in einer Vielzahl von Apotheken (rund 1.200).
Die Beklagte gab später zur Erläuterung an, sie habe seinerzeit noch mit einer alten Computersoftware gearbeitet. Diese habe die vorgelegten Kassenrezepte mit der PZN bedruckt, bevor die Verfügbarkeit des ärztlich verordneten Medikaments überprüft worden sei. Es sei dann wohl versehentlich versäumt worden, die PZN manuell unter Angabe der PZN des tatsächlich abgegebenen Arzneimittels abzuändern. Ein solches Versehen könne insbesondere bei großem Kundenandrang vorkommen und sei auch bei sorgfältiger Systemüberwachung nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Beklagte schaffte sich zwischenzeitlich eine neue Software an, mit welcher eine solche Falschabrechnung nicht mehr möglich ist.
Ein bei der Staatsanwaltschaft Mannheim geführtes Ermittlungsverfahren ist eingestellt worden, weil sich ein strafbares Verhalten der Beklagten nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung nachweisen hat lassen.
Die Klägerin stimmte sich mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) über die Verhängung von Vertragsstrafen bzgl der Falschabrechnungen und deren Berechnung ab. Mit Schreiben vom 25.07.2012 informierte sie den Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V. (LAV) über den beabsichtigten Ausspruch von Verwarnungen und Verhängung von Vertragsstrafen gegenüber zehn Apotheken in Baden-Württemberg gemäß § 11 Abs. 1 und 2 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V für die Abrechnungsmonate Juni und Juli 2011. Diese zehn Apotheken, zu denen auch die Apotheke der Beklagten gehört, hätten zwischen 37 Packungen und 120 Packungen in den beiden Monaten fehlerhaft abgerechnet. Es sei deshalb beabsichtigt, gegenüber diesen 10 Apotheken sowohl eine Verwarnung auszusprechen sowie zusätzlich eine Vertragsstrafe nach § 11 Abs 1 und 2 des Rahmenvertrags festzusetzen. Bevor dieser Verwaltungsakt vollzogen werde, werde den betroffenen Apotheken die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben (Anhörung nach § 24 Abs 1 SGB X).
§ 11 des Rahmenvertrages lautet wie folgt:
"(1) Bei Verstößen gegen § 129 Abs Satz 1 SGB V, gegen die Auskunftspflicht nach § 293 Absatz 5 Satz 4 SGB V, gegen diesen Rahmenvertrag oder gegen die ergänzenden Verträge nach § 129 Absatz 5 SGB V können die zuständigen Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen nach Anhörung des Betroffenen, bei Mitgliedsapotheken im Benehmen mit dem zuständigen Mitgliedsverband des Deutschen Apothekerverbandes, folgende Vertragsmaßnahmen aussprechen:
1. Verwarnung
2. Vertragsstrafe bis zu 25.000 €
3. bei gröblichen und wiederholten Verstößen Ausschluss des Apothekenleiters / der Apothekenleiterin von der Versorgung der Versicherten bis zur Dauer von zwei Jahren.
(2) Die Vertragsmaßnahmen nach Absatz 1 Ziffer 1 und 2 können auch nebeneinander verhängt werden."
§ 5 des Ergänzungsvertrages zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V in Baden-Württemberg lautet wie folgt:
"(1) Erfüllt eine Apotheke die sich aus diesem Vertrag ergebenden Vertragsverpflichtungen nicht, so können Maßnahmen gemäß § 6 in Betracht kommen. Bei Vertragsverstößen durch einen Vertragspartner (Krankenkasse, LAV) gilt diese Regelung entsprechend.
(2) Als schwere Vertragsverstöße gelten insbesondere:
a) Zahlung von Vergütungen für die Zuweisung von Versicherten oder von Verordnung...