Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. hauptberuflich selbständige Tätigkeit. Nachweispflicht der erzielten Einnahmen. Dreijahresfrist. absolute Grenze. keine Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten
Leitsatz (amtlich)
Die in § 240 Abs 4a S 4 SGB V normierte Dreijahresfrist zum Nachweis der tatsächlich im betreffenden Kalenderjahr erzielten Einnahmen bildet eine absolute Grenze. Aus der strikten Anwendung der Dreijahresfrist ergibt sich keine Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.01.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahr 2018.
Der 1958 geborene Kläger ist als Rechtsanwalt hauptberuflich selbständig tätig und war im streitgegenständlichen Zeitraum freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu 1) und als solcher pflichtversichert bei der Beklagten zu 2).
Mit Bescheid vom 22.12.2017 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - gegenüber dem Kläger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2018 in Höhe von 772,17 € monatlich fest. Dabei legte sie die Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 4.425,00 € sowie einen Zusatzbeitragssatz von 0,9 Prozent zugrunde.
Mit Schreiben vom 31.07.2018 teilte die Beklagte zu 1) dem Kläger mit, dass die Beiträge reduziert würden, wenn das Arbeitseinkommen sich um mehr als 25 Prozent reduziert habe. Hierzu solle der Kläger einen Fragebogen ausfüllen und einen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid übersenden.
Mit E-Mail vom selben Tag übersandte der Kläger den ausgefüllten Fragebogen für das Jahr 2016 und gab an, in diesem Jahr habe sein monatliches Einkommen 3.527,00 € betragen. Zudem übersandte er die erste Seite seines Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2015. Er bat darum, die laufenden KV- und PV-Beiträge herabzusetzen. Mit Schreiben vom 03.08.2018 forderte die Beklagte zu 1) den Kläger auf, einen vollständigen Bescheid für 2015 und einen aktuellen Einkommenssteuerbescheid vorzulegen. Dies wiederholte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28.08.2018. Am 31.08.2018 teilte der Kläger telefonisch mit, er wolle mit dem Einkommensteuerbescheid 2015 nur anzeigen, dass er seitdem keine Einnahmen über der Beitragsbemessungsgrenze habe. Mit Schreiben vom 19.09.2018 forderte die Beklagte zu 1) den Kläger erneut auf, den vollständigen Einkommenssteuerbescheid für 2015 vorzulegen und setzte eine Frist bis zum 10.10.2018. Hieran erinnerte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 01.11.2018.
Mit Bescheid vom 22.11.2018 lehnte die Beklagte zu 1) den Antrag vom 31.07.2018 auf Herabsetzung der Beiträge ab, weil eine Prüfung ohne Vorlage des Einkommenssteuerbescheids nicht möglich sei.
Im Rahmen seines hiergegen gerichteten Widerspruchs vom 27.12.2018 verwies der Kläger im Wesentlichen auf die übersandte Seite aus dem Einkommensteuerbescheid für 2015. Ihm erschließe sich nicht, weshalb aufgrund dessen nicht eine Reduzierung der Beiträge habe erfolgen können. Zudem übersandte er den Einkommensteuerbescheid vom 06.09.2018 für das Jahr 2016, aus dem sich Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 42.324,00 € ergaben.
Mit Bescheid vom 16.04.2019 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - für den Zeitraum vom 01.10.2018 bis 31.12.2018 Beiträge in Höhe von 615,46 € monatlich vorläufig fest.
Der Kläger erhielt seinen Widerspruch aufrecht und forderte, die Beiträge bereits ab Juli 2018 zu reduzieren, da er den Antrag am „31. Juni 2018“ gestellt habe. Die Beklagte zu 1) teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die Berechnung aufgrund des Steuerbescheids vom 06.09.2018 erst ab Oktober 2018 erfolgen könne, für die zuvor liegenden Zeiten liege trotz mehrfacher Aufforderung kein vollständiger Steuerbescheid vor. Die Beklagte zu 1) bat den Kläger erneut, den Einkommensteuerbescheid für 2015 vollständig vorzulegen und erinnerte mehrfach daran. Am 10.11.2019 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 2015 vor, aus dem sich Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 25.493,00 € ergaben.
Mit Bescheid vom 11.11.2019 half die Beklagte zu 1) dem Widerspruch des Klägers ab und setzte die monatlichen Beiträge für den Zeitraum 01.01.2018 bis 30.09.2018 vorläufig auf 398,52 € fest.
Am 31.08.2020 schrieb die Beklagte zu 1) den Kläger erneut an und forderte ihn auf, den Fragebogen zu seinen Einkommensverhältnissen auszufüllen und die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2017 und 2018 vorzulegen. Hieran erinnerte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 22.09.2020 und vom 15.10.2020. Am 22.10.2020 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid vom 06.02.2020 für 2017 vor, wonach er Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 25.807,00 € hatte.
Mit Schreiben vom 26.09.2021 forderte die Beklagte zu 1) den Kläger er...