Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittel ≪hier Hörgerät≫. Erstattung der über dem Festbetrag liegenden Kosten. Einhaltung des vorgeschriebenen Beschaffungsweges

 

Leitsatz (amtlich)

Anspruchsgrundlage für eine Erstattung der über dem Festpreis liegenden Kosten für ein digitales Hörgerät ist § 13 Abs 3 SGB 5 (vgl BSG vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R = BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7). Der danach vorgeschriebene Beschaffungsweg ist nicht eingehalten, wenn der Antrag auf Erstattung der Mehrkosten erst gestellt wird, nachdem der Hörgeräteakustiker das Hörgerät angepasst und dem Versicherten den Mehrbetrag in Rechnung gestellt hat.

 

Orientierungssatz

Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenzt die Leistungspflicht einer Krankenkasse dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (vgl BVerfG vom 17.12.2002 - 1 BvL 28/95 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 und BSG vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R aaO).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten für zwei digitale Hörgeräte der Marke “Phonak Savia 311 dSZ„ in Höhe von insgesamt 3.800,- € hat.

Die 1957 geborene Klägerin leidet an einer idiopathischen Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Der Hörverlust beträgt rechtsseitig 70 %, linksseitig 80 %. Sie pflegt als examinierte Krankenpflegehelferin einer Sozialstation alte, kranke oder behinderte Menschen in ihrer häuslichen Umgebung.

Aufgrund der ärztlichen Verordnung vom 26. Februar 2007 wurde die Klägerin im Mai 2007 mit den Hörgeräten der Marke Phonak Savia 311 dSZ versorgt, nachdem ihr die Geräte zuvor am 08. Mai 2007 ausgeliefert und drei Wochen zur Austestung zur Verfügung gestellt worden waren. Die Firma K. H. GmbH stellte ihr dafür am 22. Mai 2007 einen Betrag von insgesamt 5.012,80 € in Rechnung, von denen der Kassenanteil in Höhe von 1.212,80 € abgezogen wurde, so dass es mit der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20,- € bei einem Zahlungsbetrag von 3.820,- € verblieb (Bl. 38 Senatsakte). Die Rechnung war zahlbar bis zum 07. Juni 2007. Diesen Rechnungsbetrag bezahlte die Klägerin in vollem Umfang.

Am 11. Juni 2007 wandte sie sich an die Beklagte mit der Bitte um Kostenübernahme der Mehrkosten unter Hinweis auf ihre berufliche Belastung. Sie sei in ständigem Kontakt mit Patienten, deren Angehörigen sowie mit Ärzten, Arzthelferinnen, Physiotherapeuten etc und sei deswegen auf eine Maximalversorgung angewiesen. Sie habe seit Februar diesen Jahres verschiedene finanziell günstigere Hörhilfen ausprobiert, mit denen sie nicht zurecht komme, insbesondere nicht telefonieren könne.

Beigefügt war die Rechnung der K. H. GmbH.

Die Beklagte wandte sich zunächst an die K. H. GmbH mit der Bitte um Vorlage der Erklärung, wonach die Klägerin das nicht eigenanteilsfreie Versorgungsangebot schriftlich angenommen habe. Außerdem wurde um Vorlage des Anpassberichtes des Hörgeräte-Akustikers gebeten.

Hierauf legte die K. H. GmbH den Abschlussbericht sowie die Einverständniserklärung der Versicherten, unterschrieben am 10. Juli 2007, vor. Das Sprachverstehen bei den Geräten Audio-Service Nova habe 75 %, bei dem der Firma Siemens Phoenix 213 70 % und bei dem der Firma Phonak Savia Art 311 dSZ 85 % betragen.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2007 lehnte die Beklagte eine Kostenbeteiligung an den Mehrkosten mit der Begründung ab, die Krankenkasse habe mit dem Hörgeräteakustiker eine Pauschale vereinbart, damit ausgenommen von der gesetzlichen Zuzahlung dem Versicherten keine weiteren Kosten entstünden. Diese Pauschale gelte für sechs Jahre und umfasse neben dem Hörgerät auch die Otoplastik, alle notwendigen Reparaturen und Ersatzotoplastiken. Dazu zähle auch die Nachsorge, also die in regelmäßigen Abständen stattfindende Kontrolle und Wartung des Hörgerätes. Der Hörgeräte-Akustiker habe diese Pauschale mit der Krankenkasse abgerechnet und der Klägerin die Mehrkosten in Rechnung gestellt. Da sich die Klägerin für eine teuere Hörgeräteversorgung entschieden habe, könnten die Mehrkosten nicht übernommen werden.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie könne mit Hörgeräten zum Festbetrag nicht versorgt werden. Denn sie habe dadurch die für ihre weitere Berufsausübung erforderliche Sprachverständlichkeit nicht erreichen können. Es müssten ihr daher die tatsächlichen Kosten erstattet werden.

Auf erneute Nachfrage teilte die K. H. GmbH mit, die zwei eigenanteilsfreien Hörgeräte, Siemens Phoenix 213 und Audio-Service Nova, seien angemessen für den Ausgleich des Hörverlustes von der Klägerin, wie auch den Datenblättern zu entnehmen sei. Es sei auch nicht die Lautstärke, die bei diesen Geräten gefehlt habe, sondern das Sprachverstehen, die Möglichkeit verständlich zu telefonieren und me...

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