Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausabrechnungsprüfung. Frist nach § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV 2014 entspricht materiell-rechtlicher Ausschlussfrist. Geltung nur für Unterlagen, deren Vorlage der MDK konkret verlangt
Leitsatz (amtlich)
1. Bei § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV 2014 (juris: PrüfvVbg) handelt es sich um eine Frist, die einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist entspricht (siehe bereits LSG Stuttgart vom 17.4.2018 - L 11 KR 936/17).
2. Die Frist gilt nur für Unterlagen, deren Vorlage der MDK gemäß § 7 Abs 2 S 2 PrüfvV 2014 konkret verlangt hat.
3. Eine im Anforderungsschreiben des MDK verwendete Formulierung, die auf die Vorlage nicht näher bezeichneter Unterlagen abzielt (""Sollten Sie bei der Durchsicht Ihrer Unterlagen feststellen, dass die angeforderten Unterlagen die für die Begutachtung notwendigen Unterlagen nicht oder nicht vollständig enthalten, so fügen Sie bitte alle Dokumente bei, die zur Klärung der Frage beitragen können."") schließt die Vorlage von Unterlagen durch das Krankenhaus, die der MDK nicht konkret verlangt hat, nach Ablauf der im Anforderungsschreiben gesetzten Frist nicht aus.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.03.2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 22.867,36 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausabrechnung.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Dort wurde im Zeitraum vom 16.02. bis 25.05.2016 der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte J. B., geb ... 1962, (im Folgenden: Versicherter) wegen paranoider Schizophrenie (F20.0), rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1) und Zwangsgedanken und -handlungen gemischt (F42.2) stationär behandelt. Anfang April 2016 wurde als Nebenbefund zur Abklärung von Laborwerten eine chronisch lymphatische Leukämie (CLL) diagnostiziert. Die Klägerin rechnete für die Behandlung mit Zwischenrechnungen vom 10.03, 24.03. und 22.04.2016 sowie Schlussrechnung vom 06.06.2016 insgesamt 22.867,36 € ab auf der Grundlage pauschalierter Entgelte für Psychiatrie und Psychosomatik. Die Beklagte zahlte diesen Betrag zunächst vollständig.
Mit Schreiben vom 10.06.2016 teilte die Beklagte der Klägerin die Einleitung des Prüfverfahrens mit. Angekündigt wurde eine Fehlbelegungsprüfung, wobei von den anzukreuzenden Möglichkeiten (UGV, OGV, primäre Fehlbelegung, Sonstiges) die letzte Möglichkeit gewählt war. Anschließend beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Prüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung für die gesamte Dauer. Der MDK forderte bei der Klägerin mit Schreiben vom 14.06.2016 verschiedene medizinische Unterlagen an (ausführlicher Krankenhausentlassbericht; körperlicher/psychischer Untersuchungsbefund bei Aufnahme; Anamnese, Aufnahmebefund, Assessments; Tageskurve(n); Pflegedokumentation(en); ärztliche Verlaufsdokumentation(en); psychotherapeutische Verlaufsdokumentation(en); Verlaufsdokumentation(en) Sozialdienst; Laborbefunde, Antibiogramm und Mikrobiologie). Ergänzend wurde ausgeführt: „Sollten Sie bei der Durchsicht Ihrer Unterlagen feststellen, dass die angeforderten Unterlagen die für die Begutachtung notwendigen Informationen nicht oder nicht vollständig enthalten, so fügen Sie bitte alle Dokumente bei, die zur Klärung der Frage beitragen können.“. Die Klägerin übersandte daraufhin alle konkret vom MDK aufgelisteten Dokumente fristgerecht. Nach deren Prüfung gelangte der MDK (Gutachten Dr. R. vom 12.08.2016) zu dem Ergebnis, dass eine ambulante Weiterbehandlung indiziert gewesen wäre. Mit Schreiben vom 18.08.2016 und 06.10.2016 forderte die Beklagte vergeblich die Rückzahlung des gesamten Rechnungsbetrags.
Mit Schreiben vom 21.12.2016 erklärte sie hinsichtlich eines Teilbetrages von 21.717,87 € die Verrechnung gegen eine andere unstreitige Forderung (Patientin S. G., Re-Nr ...6519) und mit Schreiben vom 13.02.2017 auch hinsichtlich des Restbetrages in Höhe von 1.149,49 € (Patient D. C., Re-Nr ...9172).
Am 21.02.2017 hat die Klägerin zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Die Beklagte sei nicht zur Aufrechnung berechtigt gewesen, weil ihr kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zustehe. Der Versicherte habe im gesamten Behandlungszeitraum der Krankenhausbehandlung bedurft.
Das SG hat die Patientenakte über die strittige Behandlung beigezogen und ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. S. eingeholt. Dieser führt im Gutachten vom 20.01.2018 aus, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung aufgrund der im Vorfeld stattgefundenen Verschlechterung des klinischen Bildes trotz intensiver Behandlung und des hochkomplexen Krankheitsbildes mit mindestens drei gravierenden Störungen...