Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Heilmittel. Abrechnungsberechtigung der Manuellen Therapie. Ausschluss von Masseuren und medizinischen Bademeistern. Rechtmäßigkeit. Verfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Manuelle Therapie umfasst die vom Physiotherapeuten ausgeführten manuellen Behandlungstechniken, die zur Behandlung von Gelenkfunktionsstörungen und ihrer muskulären, reflektorischen Fixierung durch gezielte Mobilisation oder durch Anwendung von Weichteiltechniken dienen. Sie darf nur von Physiotherapeuten abgerechnet werden, die eine bestimmte Weiterbildung absolviert haben.

2. Medizinische Bademeister dürfen diese Leistung auch dann nicht abrechnen, wenn sie die für Physiotherapeuten vorgesehene Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen haben (Abweichung von LSG München vom 17.8.2006 - L 4 KR 295/03).

 

Orientierungssatz

1. Die in den Heilmittelrichtlinien (juris: HeilMRL) und in Landesverträgen enthaltene Regelung, nach der zur Versorgung der Versicherten nur zugelassene Physiotherapeuten Leistungen der Manuellen Therapie zu Lasten der Krankenkassen abrechnen dürfen, wenn sie eine Weiterbildung in dieser Behandlungstechnik absolviert und eine Abschlussprüfung bestanden haben, ist rechtmäßig (vgl zB BSG vom 12.8.2010 - B 3 KR 9/09 R = SozR 4-2500 § 125 Nr 6; BSG vom 22.7.2004 - B 3 KR 12/04 R).

2. Eine Verletzung des Art 12 Abs 1 GG liegt nicht vor (vgl BVerfG vom 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 = BVerfGE 7, 377).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.03.2017; Aktenzeichen B 3 KR 24/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22.09.2010 wird zurückgewiesen, soweit darin der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2009 aufgehoben wurde. Im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22.09.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin berechtigt ist, Leistungen der manuellen Therapie (MT) durch ihren bei ihr angestellten Ehemann J. L. an Versicherte der beklagten A. Baden-Württemberg zu deren Lasten zu erbringen.

Die Klägerin ist seit 1983 als Masseurin und medizinische Bademeisterin zur Behandlung von Versicherten einer Rechtsvorgängerin der Beklagten zugelassen (Bl 185 SG-Akte). Die Berechtigung erstreckt sich auch auf die Abgabe manueller Lymphdrainage. Die Klägerin ist Mitglied des Verbandes Physikalische Therapie - Vereinigung für die physiotherapeutischen Berufe e.V. (VPT). Die Zulassung erfolgte unter Bezugnahme auf den zwischen dem VPT und dem Verband der Ortskrankenkasse S. sowie weiteren (Krankenkassen-)Verbänden am 10.02.1980 abgeschlossenen Rahmenvertrag. In ihrer Praxis beschäftigt die Klägerin als angestellten Mitarbeiter ihren Ehemann J. L. (JL), der ebenfalls Masseur und medizinischer Bademeister ist (Bl 11 Verwaltungsakte).

In den Gemeinsamen Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer auf Bundesebene (idF vom 25.09.2006, Bl 109 Senatsakte) ist festgelegt, dass MT von Physiotherapeuten ausgeführt wird, nachdem diese eine Weiterbildung MT im Umfang von mindestens 260 Stunden absolviert haben müssen (Bl 131 Senatsakte). MT und die Eingangsvoraussetzungen werden in der Anlage 3 Nr 2 vom 17.01.2005 wie folgt definiert:

“Die Manuelle Therapie umfasst die vom Physiotherapeuten ausgeführten manuellen Behandlungstechniken, die zur Behandlung von Gelenkfunktionsstörungen und ihrer muskulären, reflektorischen Fixierung durch gezielte Mobilisation oder durch Anwendung von Weichteiltechniken dienen. …

Die Erweiterung und Vertiefung der Kenntnisse und Fähigkeiten für den Einsatz dieser Behandlungstechniken erfolgt in einer speziellen Weiterbildung …

Die Teilnehmer an der Weiterbildung müssen eine abgeschlossene Berufsausbildung als Physiotherapeut/Krankengymnast nachweisen.„

Im ua zwischen dem VPT und der Beklagten abgeschlossenen Rahmenvertrag nach § 125 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 16.07.2002, in Kraft getreten 01.12.2002 (Bl 39 Senatsakte), wird MT wie folgt definiert (Bl 60 Senatsakte):

“Vom Therapeuten durchgeführter Teil der manuellen Medizin auf der Grundlage der Biomechanik und Reflexlehre zur Behandlung von Dysfunktionen der Bewegungsorgane mit reflektorischen Auswirkungen. Sie beinhaltet aktive und passive Dehnung verkürzter muskulärer und neuraler Strukturen, Kräftigung der abgeschwächten Antagonisten und Gelenkmobilisationen durch translatorische Gelenkmobilisationen. Anwendung einer gezielten impulslosen Mobilisation oder von Weichteiltechniken. Die krankengymnastische manuelle Therapie enthält keine passiven Manipulationstechniken von blockierten Gelenkstrukturen an der Wirbelsäule.„

In der Anlage 3 (Leistungsbeschreibung Physiotherapie) wird weiter ausgeführt:

“Die unter dieser Position beschriebenen Leistungen sind abrechenbar von Physiotherapeuten, die eine erfolgreich a...

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