Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Einpersonenhaushalt in Baden-Württemberg. Anforderungen an ein schlüssiges Konzept. rückwirkende Anwendung des vorliegenden schlüssigen Konzepts
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft.
2. Zur rückwirkenden Anwendung eines schlüssigen Konzepts ab dem Stichmonat der Datenerhebung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. September 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.06.2014 bis 30.09.2017 streitig.
Der 1952 geborene alleinstehende Kläger bewohnte von 01.11.1989 bis 31.10.2019 ein freistehendes Einfamilienhaus in A. Dieses umfasst ausweislich des Mietvertrags vom 23.08.1989 3,5 Zimmer, Bühne, Bad, WC, Terrasse, Balkon sowie Nebenräume im Untergeschoss. Mitvermietet ist eine Garage sowie der zum Haus gehörende Garten. Nach Angaben des Klägers beträgt die Wohnfläche ca. 80 - 85 m² bei einer Gesamtgröße des Hauses von 100 m². Mietvertraglich vereinbart war ursprünglich eine Kaltmiete in Höhe von 1.200,00 DM sowie 65,00 DM für die Garage. Der Kläger überwies nach seinen Angaben im streitigen Zeitraum und bis zum Auszug 665,00 € monatlich an seinen Vermieter. Darin waren die Kosten der Gebäudeversicherung enthalten, die übrigen kalten und warmen Nebenkosten (Wasser, Abwasser, Müll- und Schornsteinfegergebühren, Heizung) trug er selbst. Das Haus wird mit Gas und Strom beheizt; das Warmwasser mit Gas und Strom bereitet. Der monatliche Gasabschlag beim Energieversorger E. betrug ab Januar 2011 78,00 €, ab Januar 2012 86,00 €, ab Januar 2013 69,00 €, ab Januar 2014 67,00 €, ab Januar 2015 79,00 €, ab Januar 2016 73,00 € und ab Januar 2017 46,00 €. Die Abschlagszahlungen für Wasser und Abwasser betrugen im Jahr 2014 dreimal jährlich 47,00 € (zum 14.04.2014, 14.07.2014 und 14.10.2014).
Zum November 2019 ist der Kläger umgezogen und bewohnt nun eine 3-Zimmer-Wohnung mit Balkon in K. zu einer Kaltmiete von 500,00 €, mit Nebenkostenvorauszahlungen von 600,00 € monatlich. Die Kosten werden vom Sozialamt übernommen. Grund des Umzugs war nach Angaben des Klägers eine Eigenbedarfskündigung des neuen Eigentümers und dessen Räumungsklage vor dem Amtsgericht. In diesem Verfahren habe er sich vergleichsweise zum Auszug verpflichtet, aber erst auf November 2019 die neue Wohnung gefunden.
Der Kläger stand bereits vom 01.01.2005 bis 30.04.2008 und ab dem 08.12.2009 im laufenden Leistungsbezug des Beklagten. Mit Änderungsbescheid vom 15.01.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen für die Zeit vom 08.12.2009 bis 31.05.2010, wobei die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung für die Wohnung in A. in Höhe von insgesamt 739,46 € berücksichtigt wurden. Der Kläger wurde in dem Bescheid darauf hingewiesen, dass die Miete unangemessen hoch sei. Die tatsächliche Miete werde deshalb längstens für sechs Monate, also bis zum 07.06.2010 bei der Berechnung des Arbeitslosengelds II (Alg II) berücksichtigt. Nach Ablauf dieser Frist würden nur noch 385,00 € Grundmiete als Unterkunftskosten anerkannt. Die Nebenkostenvorauszahlungen würden zusätzlich berücksichtigt. Der Kläger habe zwei Möglichkeiten, er könne den Differenzbetrag selbst aufbringen oder sich bemühen, eine angemessene Wohnung zu finden. Entsprechende Bemühungen seien nach Ablauf von sechs Monaten schlüssig nachzuweisen (vgl. im Einzelnen Bl. 519/520 der Verwaltungsakte des Beklagten). Mit Bescheid vom 20.05.2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17.06.2010 und vom 16.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2010 gewährte der Beklagte Leistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 und berücksichtigte ab dem 08.06.2010 Kosten der Unterkunft ausgehend von einer Mietobergrenze von 385,00 €. Die hiergegen zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 2 AS 5418/10) wurde, nachdem der Beklagte mit Teilanerkenntnis vom 25.05.2011 für die Zeit vom 01.06.2010 bis 18.07.2010 monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 742,78 € anerkannt hatte, mit Urteil vom 25.05.2011 abgewiesen. Das Teilanerkenntnis wurde mit Änderungsbescheid vom 04.08.2011 umgesetzt. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 12 AS 3703/11) erklärte der Beklagte sich im Rahmen eines Teilanerkenntnisses bereit, monatlich weitere 16,49 € zu gewähren. Im Rahmen einer vergleichsweisen Einigung gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 19.07.2010 bis 30.11.2010 monatlich 125,00 € höhere Leistungen.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 21.10.2010 g...