Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Fortzahlung des Krankengeldes. Obliegenheit des Versicherten seine Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen zu lassen. rechtzeitig bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am Folgetag bei längerer Wartezeit im überfüllten Wartezimmer
Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherter der GKV erfüllt seine Obliegenheit, zur Aufrechterhaltung seines Anspruchs auf Krankengeld seine Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen zu lassen, wenn er am letzten Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit seinen Hausarzt aufsucht, dort im (überfüllten) Wartezimmer längere Zeit wartet, mit dem Arzt spricht und auf dessen Vorschlag eine Fortsetzung des Termins mit Feststellung der Arbeitsunfähigkeit direkt am Folgetag stattfindet.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.02.2014 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2011 verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 10.12.2010 bis 25.03.2011 zu gewähren.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) für den Zeitraum 11.12.2010 bis 25.03.2011.
Der 1952 geborene Kläger war seit April 2005 als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichertes Mitglied. Am 02.11.2010 erkrankte der Kläger an akuter Lumbalgie. Sein Hausarzt Dr S. stellte am gleichen Tag Arbeitsunfähigkeit (AU) fest. Der Kläger erhielt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.11.2010 Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber, vom 01. bis 10.12.2010 zahlte die Beklagte Krg. Ab 26.03.2011 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Dr S. attestierte wegen Lumbalgien folgende AU-Zeiten:
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AU festgestellt am |
mit |
voraussichtl. Ende der AU |
02.11.2010 |
AUB |
12.11.2010 |
13.11.2010 |
AUB |
26.11.2010 |
27.11.2010 |
AUB |
10.12.2010 |
11.12.2010 |
AUB |
22.12.2010 |
22.12.2010 |
AUB |
31.12.2010 |
23.12.2010 |
Auszahlschein |
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14.01.2011 |
AUB |
25.01.2011 |
25.01.2011 |
Auszahlschein |
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25.01.2011 |
AUB |
08.02.2011 |
08.02.2011 |
Auszahlschein |
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08.02.2011 |
AUB |
21.02.2011 |
21.02.2011 |
Auszahlschein |
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07.03.2011 |
Auszahlschein |
weiter AU, nächster Praxisbesuch 25.03.2011 |
Mit Bescheid vom 21.12.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab 12.12.2010, dem Tag nach ärztlicher Bescheinigung der AU, nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert sei und daher ab 11.12.2010 kein Krg gezahlt werde.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er bereits am 10.12.2010 in der Praxis des Dr S. gewesen sei. Die Praxis sei überfüllt gewesen und der Arzt habe den Kläger daher gebeten, zur Samstagssprechstunde nochmals zu erscheinen. Am 11.12.2010 sei dann die AU-Bescheinigung (AUB) ausgestellt worden. Dr S. bestätigte diesen Vortrag mit einer Bescheinigung vom 03.01.2011.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die über den Bezug von Krg aufrechterhaltene Mitgliedschaft des Klägers habe am 10.12.2010 geendet. Aufgrund der ärztlichen Feststellung am 11.12.2010 könne frühestens am 12.12.2010 ein Anspruch auf Krg entstehen, zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger jedoch nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen.
Hiergegen richtet sich die am 02.03.2011 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass es sich um eine durchgehende und nicht erstmalig bescheinigte AU handele. Das SG hat Dr S. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat unter dem 06.06.2011 mitgeteilt, dass er am 10.12.2010 bis 12:30 Uhr Sprechstunde gehabt habe. Der Kläger sei an diesem Tag bei ihm gewesen. Da sehr viel los gewesen sei, habe er ihm vorgeschlagen, am 11. oder 13.12.2010 wieder zu kommen. Seines Erachtens sei das Verfahren der AU-Verlängerung durchgehend.
Mit Urteil vom 27.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krg habe nur bis 10.12.2010 bestanden. Mit Ablauf dieses Tages sei die Mitgliedschaft als versicherungspflichtiger Beschäftigter erloschen. Die Mitgliedschaft bleibe nach § 192 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur solange erhalten, wie ein Anspruch auf Krg bestehe oder Krg bezogen werde. Nach § 46 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V entstehe der Anspruch auf Krg am Tag nach der ärztlichen Feststellung der AU. Die Erlangung der ärztlichen Feststellung der AU gehöre zu den Obliegenheiten der Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Feststellung seien daher von den Versicherten zu tragen. Die AUB vom 27.11.2010 sei bis 10.12.2010 befristet gewesen. Danach sei AU erst am 11.12.2010 festgestellt worden, so dass der Anspruch erst am 12.12.2010 habe entstehen können. Wegen der entstanden Anspruchslücke sei der Kläger nicht mehr mit...