Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtssprache. fremdsprachiger Schriftsatz. Unwirksamkeit bei fehlendem grenzüberschreitenden Bezug. keine Übersetzungspflicht des Gerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Gem § 61 Abs 1 SGG iVm § 184 S 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch.
2. In einer Fremdsprache verfasste Schriftsätze haben keine unmittelbare rechtserhebliche Wirkung, sofern nicht wegen eines grenzüberschreitenden Bezugs Art 76 Abs 7 VO (EG) Nr 883/2004 (juris: EGV 883/2004) Anwendung findet. Sie sind grundsätzlich unwirksam und wahren daher keine Rechtsmittelfristen. Das Gericht ist auch nicht zur Übersetzung einer fremdsprachigen (Rechtsmittel-)Schrift verpflichtet.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. August 2017 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind eine Anspruchseinschränkung ab September 2016 sowie Leistungen bei Krankheit nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) streitig.
Der 1983 geborene Kläger pakistanischer Staatsangehörigkeit reiste nach eigenen Angaben am 22. Mai 2012 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. Juni 2012 einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte durch Bescheid vom 14. Oktober 2014 den Antrag auf Asylanerkennung ab, erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch einen subsidiären Schutzstatus zu und nahm keine Abschiebeverbote an. Die vom Kläger vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart (VG) geführte Klage hatte keinen Erfolg (rechtskräftiges Urteil vom 21. Januar 2015 - A 8 K 4748/14 -).
Das Regierungspräsidium informierte den Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2016 über seine Passbeschaffungs- und Mitwirkungspflichten. Mit Schreiben vom 1 Juli 2016 forderte das Regierungspräsidium den Kläger auf, sich bis zum 20. Juli 2016 - gegebenenfalls durch Vorsprache beim pakistanischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main - einen Pass bzw. einen Passersatz zu beschaffen. Der Kläger ließ diese Frist ungenutzt verstreichen. Mit Schreiben vom 4. August 2016 gab der Beklagte dem Kläger Gelegenheit, sich zu einer beabsichtigten Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG zu äußern. Mit Bescheid vom 18. August 2016 kürzte der Beklagte - unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 31. Mai 2016 - die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG mit Wirkung zum 1. September 2016 um monatlich 42,88 €. Dagegen legte der Kläger mit dem in deutscher Sprache verfassten Schreiben vom 24. August 2016 (Eingang beim Beklagten am 26. August 2016) Widerspruch ein und machte geltend, seine gesundheitliche Situation lasse es nicht zu, nach Frankfurt zur Botschaft zu fahren. Er habe auch die Ausländerbehörde über seine Reiseunfähigkeit informiert. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 24. November 2016 als unbegründet zurück.
In dem seinerzeit zwischen den Beteiligten vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängigen Rechtsstreit S 7 AY 1837/16 hat das SG am 1. Dezember 2016 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem sich der Kläger u.a. gegen die Anspruchseinschränkung gewandt hat. Durch Beschluss vom 1. Dezember 2016 hat das SG das Verfahren des Klägers gegen den Bescheid vom 18. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2016 vom Verfahren S 7 AY 1837/16 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 7 AY 6632/16 fortgeführt. In dem Verfahren S 7 AY 1387/16 haben die Beteiligten zur Erledigung dieses Rechtsstreits einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass der Beklagte über den im Erörterungstermin gestellten Antrag des Klägers zur Gewährung einer antiviralen Therapie im Hinblick auf die bei ihm vorliegende Hepatitis-C-Erkrankung bis zum 23. Dezember 2016 mit rechtsmittelfähigem Bescheid entscheidet. Sodann hat der Beklagte mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 den Antrag auf eine antivirale Therapie abgelehnt. Am 4. Januar 2017 hat sich der Kläger mit einem ausschließlich in englischer Sprache verfassten Schreiben an das SG gewandt, das die Übersetzung dieses Schreibens in die deutsche Sprache veranlasst hat. Der Kläger hat in dem Schreiben (4. Januar 2017) seine Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, weil ihm durch den Beklagten jede Unterstützung entzogen worden sei, und um einen dauerhaften Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland gebeten. Vom “Asyl-Amt„ bekomme er lediglich 144,00 €; das reiche nicht für Essen und Medizin. Er habe kein Geld, um zum Arzt zu fahren. Im weiteren Verlauf hat der Kläger ein ärztliches Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychiatrie Dr. N. vom 1. Februar 2017 vorgelegt, wonach bei dem Kläger eine Hepatitis-C-Infektion mit einer mittelgradigen nachgewiesenen Virusaktivität bestehe und aus medizinischer Sicht eine antivirale Therapie indiziert sei. Mit Schriftsatz vom 1. August 2017 hat der Beklagte die Leistungseinschrän...