Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Bevorratung von Lebensmitteln als Notfallpaket für Krisen- und Notfallsituationen. Bestandteil des Regelbedarfs. kein Sonderbedarf nach § 24 SGB 2
Orientierungssatz
Die Kosten für die Bevorratung mit Lebensmitteln, Getränken, Hygiene- und Haushaltsartikeln als Notfallpaket gemäß Empfehlung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe können nicht als Sonderbedarf gemäß § 24 Abs 1 oder Abs 3 SGB 2 anerkannt werden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2017 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für einen „Notvorrat im Krisenfall“ streitig.
Der 1956 geborene Kläger Ziff. 1 und die 1979 geborene Klägerin Ziff. 2 sind Eltern der am 2005 geborenen Klägerin Ziff. 3, der 2010 geborenen Klägerin Ziff. 4 und des 2014 geborenen Klägers Ziff. 5. Die Kläger beziehen seit September 2005 bzw. seit ihrer jeweiligen Geburt laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. August 2016 bis zum 31. Januar 2017 monatliche Leistungen in Höhe von 1.280.85 € (August 2016), 1.286,35 € (September bis November 2016) und 1.406,36 € (Dezember 2016 bis Januar 2017) und berücksichtigte dabei den jeweiligen Regelbedarf, die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie die Einkommen (Erwerbseinkommen des Klägers Ziff. 1 aus einer geringfügigen Beschäftigung, Kindergeld für die Kläger Ziff. 3 bis 5 sowie bis November 2016 Betreuungsgeld) (Bescheid vom 11. Juli 2016).
Am 9. September 2016 beantragte der Kläger Ziff. 1 ein „Krisennotfallpaket“ für fünf Personen und bezifferte den dafür erforderlichen finanziellen Aufwand mit 1.800,00 €. Dabei nahm er Bezug auf den „Ratgeber für Notfallversorgung und richtiges Handeln in Notsituationen“ des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, das im Falle einer Katastrophe wie Hochwasser, Stromausfall oder Sturm einen ausreichenden Vorrat an Getränken und Lebensmitteln für 14 Tage empfiehlt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 3. November 2016 ab. Den Widerspruch der Kläger vom 8. November 2016 wies er durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 2016 als unbegründet zurück. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Auszahlung von 1.800,00 €, denn die Aufwendungen für Nahrungsmittel seien durch den Regelbedarf nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II gedeckt. Der Regelbedarf werde als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entschieden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei hätten sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Bei der Anschaffung einer Notfallvorsorge für eine Krisensituation handle es sich um eine freiwillige persönliche Entscheidung der Kläger. Diese Anschaffung könnten die Kläger aus der monatlichen Regelleistung tätigen.
Am 25. November 2016 hat der Kläger Ziff. 1 - auch im Namen seiner Ehefrau und seiner Kinder - Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 21. November 2016 zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben. Zur Begründung hat er u. a. vorgebracht, dass er mit der „Finanzagentur GmbH Deutschland“ nichts zu tun habe, nach „Genfer Grundrechten“ vorzugehen sei sowie ihm und seiner Familie ein menschenwürdiges Leben zu garantieren sei.
Das SG Reutlingen hat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Klage durch Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2017 abgewiesen. Die Kosten für die Beschaffung zusätzlicher Lebensmittel als Notvorrat im Krisenfall könnten nicht als Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt werden. Bei den Kosten für die Anschaffung eines Notvorrats an Lebensmitteln handle es sich bereits nicht um einen laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf. Ein Notvorrat an Lebensmitteln für Krisenfälle stelle nicht etwa einen gesonderten Lagerposten dar, der getrennt vom übrigen Haushalt sichergestellt werde. Eine solche Handhabe wäre höchst unwirtschaftlich, liefe sie doch darauf hinaus, dass bei Ablauf der betreffenden Haltbarkeitsdaten die zum Notvorrat gehörenden Lebensmittel entsorgt und zusätzlicher Ersatz beschafft werden müsste. Die Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe seien nicht dahingehend zu verstehen, dass eigens für Krisenfälle Lebensmittel in einem bestimmten Umfang eingekauft und anschließend bis zum etwaigen Eintritt des Krisenfalles oder ggf. vorheriger verfallsbedingter Erneuerung gesondert gelagert werden sollten. Vielmehr gehe es darum, den Notvorrat in den laufenden Lebensmittelumsatz des eigenen Haushalts zu integrieren, in dem die ohnehin l...