Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. fehlendes schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Anwendung der Wohngeldtabelle bei fehlenden Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts. Höhe des Sicherheitszuschlags
Leitsatz (amtlich)
1. Existiert für das Gebiet eines Grundsicherungsträgers kein schlüssiges Konzept zur Bestimmung angemessener Kosten der Unterkunft und kann ein solches auch unter Mithilfe des Gerichts nicht (mehr) erstellt werden, sind - für Zeiten vor dem 1. Januar 2009 - die angemessenen Kosten der Unterkunft anhand der (ganz) rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG (juris: WoGG 2) und eines Sicherheitszuschlags zu bestimmen (Anschluss an BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R).
2. Dieser so ermittelte Betrag beinhaltet wegen § 5 Abs 1 WoGG (juris: WoGG 2) auch die "kalten Nebenkosten".
3. Bei der Bemessung des Sicherheitszuschlages kann berücksichtigt werden, dass der konkrete Wohnungsmarkt einerseits durch die Nähe zu einer Großstadt, andererseits zu einem ländlichen Gebiet bestimmt wird.
4. Der Sicherheitszuschlag kann auch nur gering ausfallen, wenn der sich aufgrund der Anwendung der (ganz) rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG (juris: WoGG 2) und eines Sicherheitszuschlages ergebende Betrag für eine kleine Stadt deutlich über dem Niveau des Mietspiegels der benachbarten Großstadt liegt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2006, der Abänderung der Bescheide vom 11. November 2005 in der Fassung des Bescheids vom 10. Mai 2006 sowie des Bescheids vom 24. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2006 verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 30. November 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten, einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage ab- sowie die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 2/5 der außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der von der Beklagten im Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 30. November 2006 den Klägern bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Die Kläger sind verheiratet und leben zusammen als Bedarfsgemeinschaft; die beiden 1977 und 1979 geborenen Kinder leben nicht bei den Klägern. Die Klägerin zu 2 bezieht seit 1. Juni 2008 eine Altersrente. Die Kläger leben seit 24 Jahren in G.. Die Gemeinde G. (ca. 11.000 Einwohner) gehört zum Landkreis Breisgau. - Hochschwarzwald., grenzt aber - auch hinsichtlich der Bebauung - direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg. im Breisgau. (ca. 220.000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg. bildet (§ 131 Abs. 1 Gemeindeordnung Baden-Württemberg). Die Kläger bewohnen in G. seit August 2004 eine 79,83 m² große Drei-Zimmer-Wohnung, für die eine monatliche Kaltmiete von 572,00 € (zuzüglich 128,00 Euro Nebenkosten ≪Heizung und Warmwasser≫) zu entrichten ist. Die Wohnung gehört dem Sohn der Kläger.
Die Kläger beziehen seit 1. Januar 2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 ff SGB II (Leistungen). Bereits mit Bescheid vom 27. November 2004, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2005 bewilligt wurden, wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass deren Wohnung aus leistungsrechtlicher Sicht für ihre Haushaltsgröße unangemessen teuer sei. Die tatsächlich entstehenden Unterkunftskosten könnten daher nur solange anerkannt werden, wie es den Klägern nicht möglich oder nicht zumutbar sei, die Kosten auf ein angemessenes Maß zu senken (§ 22 Abs. 1 SGB II). Das Gesetz sehe hierfür in der Regel eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten vor. Ab 1. Juli 2005 könne deshalb nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro als Kaltmiete anerkannt werden. Dies entspreche einem Mietpreis von 5,11 Euro/ m 2 für eine 60 m 2 große Wohnung bei einem Zweipersonenhaushalt. Ein erneuter Hinweis auf die von der Beklagten für angemessen erachtete Miete von 306,60 Euro sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2005, mit dem den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 30. November 2005 bewilligt wurden. Beiden Bewilligungsbescheiden hatte die Beklagte den gesamten Betrag der Kaltmiete in Höhe von 572,00 Euro zuzüglich Nebenkosten zugrunde gelegt.
Mit Bescheid vom 11. November 2005 hat die Beklagte den Klägern unter Zugrundelegung einer Kaltmiete von 306,60 Euro (zuzüglich Nebenkosten) und unter Berücksichtigung eines Einkommens von monatlich 329,14 Euro Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 in Höhe von monatlich 727,73 Euro bewilligt. Am 10. Januar 2006 tei...