Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. mehrtägige Klassenfahrt. schulrechtliche Bestimmungen des Landes. Auslegung des Begriffs der Klassenfahrt. internationaler Schüleraustausch für spezielle Schüler
Leitsatz (amtlich)
1. Das baden-württembergische Landesrecht kennt zwar den Begriff der Klassenfahrt, enthält aber keine eigenständige Definition der Klassenfahrt im Sinne des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2.
2. Unter Berücksichtigung der baden-württembergischen Regelungen des Schulrechts kann von einer Klassenfahrt im Sinne des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 nur dann gesprochen werden, wenn die ganze Klasse, ein ganzer klassenersetzender Kurs- bzw Unterrichtsverbund oder eine Jahrgansstufe als ganze eine mehrtägige Veranstaltung außerhalb der Schule durchführt.
3. Eine Klassenfahrt im Sinne des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 liegt nicht vor, wenn die schulische Veranstaltung sich von vornherein nur an einen begrenzten Teilnehmerkreis wendet, der unter Zugrundelegung eingrenzender Auswahlkriterien aus den Schülern ausgewählt wird.
4. Aufwendungen, die nicht von der Klassenfahrt als Sonderbedarf verursacht werden (zB Proviant, Taschengeld), sind von der Regelleistung, nicht von § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2, erfasst.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Kosten für die Teilnahme des Klägers an einem von seiner Schule in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. Oktober 2009 veranstalteten Schüleraustausch mit der B. R. High School in P.-L. (A., USA) im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II) streitig.
Der 1992 geborene Kläger bezieht von der Beklagten als Mitglied der aus seinen Eltern, ihm und seiner Schwester (geb. 1993) bestehenden Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II. Die Beklagte hatte die Leistungen für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. September 2009 mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 17. März 2009 in der Fassung der (bestandskräftigen) Bescheide vom 21. Mai 2009, 18. Juni 2009, 20. Juli 2009, 18. August 2009 und 16. September 2009 bewilligt (1. April 2009 bis 30. April 2009 = 1.067,10 Euro; 1. Mai 2009 bis 31. Mai 2009 = 1.151,92 Euro; 1. Juni 2009 bis 30. Juni 2009: 1.049,84 Euro; 1. Juli bis 31. Juli 2009: 1.286,99 Euro; 1. August 2009 bis 31. August 2009: 1.216,56 Euro; 1. September 2009 bis 30. September 2009 = 998,89 Euro). Mit Bescheid vom 17. September 2009 in der Fassung der Bescheide vom 14. Oktober 2009 und 30. Oktober 2009 bewilligte die Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. Oktober 2009 2.331,09 Euro (unter Einschluss von einmaligen Mietnebenkosten in Höhe von 1.200,00 Euro) sowie für die Zeit ab 1. November 2009 bis 31. März 2010 monatlich 1.014,33 Euro.
Der Kläger besuchte das biotechnologische Gymnasium an den Haus- und Landwirtschaftlichen Schulen O. und wurde aus den Schülern seiner Jahrgangsstufe ausgewählt, in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. Oktober 2009 an einem von der Schule veranstalteten Schüleraustausch mit der B. R. High School in P.-L. (A., USA) teilzunehmen. Bei diesem - im Rahmen des von der Kultusministerkonferenz und dem Goethe Institut unterstützten German American Partnership Programs (GAPP) veranstalteten - Austausch verbringen 16 Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse der Haus- und Landwirtschaftlichen Schulen O. zwei bis drei Wochen an der B. R. High School, gefolgt von einer etwa einwöchigen Studienfahrt durch A., U. und K.. Die Teilnehmer werden im Rahmen eines an den bisherigen schulischen Leistungen und dem sozialen Engagement orientierten Verfahrens aus den Schülern der Jahrgangsstufe ausgewählt. Die Schule hat den Kläger als guten, leistungsstarken und hoch motivierten Schüler beschrieben, der im Projekt “Schüler helfen Schüler„, einem Nachhilfeprojekt, wertvolle Unterstützung leiste. Sie bezifferte - unter Berücksichtigung einer Förderung durch das Auswärtige Amt - die Kosten des Austausches auf insgesamt 1.650 Euro (Flugtickets: 740 Euro; Ausgaben für Eintritte, German Evening für Gastfamilien: 160 Euro; Jugendherberge, Hotel: 300 Euro; Anteilige Kosten für Mietwagen und Kraftstoff: 100 Euro; Taschengeld: 350 Euro). Ein Förderverein besteht an der Schule nicht. Der Kläger nahm an dem Schüleraustausch teil. Die Kosten der Reise wurden von früheren Geschäftsfreunden des Vaters des Klägers finanziert; die Schulden begleicht der Kläger durch Arbeit.
In einem Telefonat vom 7. April 2009 “beantragte„ der Vater des Klägers die Übernahme der Kosten (ca. 1.100 Euro) für “eine Amerikareise seines Sohnes„. Die Beklagte wies telefonisch darauf hin, dass es sich bei dieser Reise nicht um eine Klassenfah...