Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Rentner. Wohnsitzverlegung nach Spanien. Ende der Pflichtmitgliedschaft aufgrund des Bezugs einer spanischen Rente. Leistungen der Pflegeversicherung unterfallen der Kollisionsnorm des Art 23 EGV 883/2004. Vorrang des Art 23 EGV 883/2004 vor Art 5 EGV 883/2004

 

Leitsatz (amtlich)

1. Endet aufgrund des Bezugs einer spanischen gesetzlichen Rente die Pflichtmitgliedschaft eines nach Spanien verzogenen Rentners in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner, endet auch die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung der Rentner.

2. Leistungen der Pflegeversicherung - als Leistungen bei Krankheit iS des Art 3 Abs 1 VO (EG) 883/2004 (juris: EGV 883/2004 ) - unterfallen der Kollisionsnorm des Art 23 VO (EG) 883/2004 , der der allgemeinen Regelung des Art 5 VO (EG) 883/2004 vorgeht.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom

23. November 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ab dem 1. Juni 2018 bei der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung der Rentner (PVdR) pflichtversichert, hilfsweise in der sozialen Pflegeversicherung freiwillig weiterversichert ist.

Die 1946 geborene Klägerin, spanische Staatsangehörige, war ab September 1964 in der Bundesrepublik Deutschland abhängig beschäftigt bis zuletzt Juli 2006 und entsprechend Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Seit dem 1. August 2006 bezieht sie eine deutsche vorgezogene Altersrente für Frauen aus eigener Versicherung und war bei der Beklagten als Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versicherungspflichtiges Mitglied in der sozialen Pflegeversicherung. Zum 1. April 2018 verlegte die Klägerin ihren Wohnsitz nach Spanien.

Nach dem Tod ihres Ehemannes 2018 bezieht sie auf ihren Rentenantrag vom 26. Juni 2018 seit 1. Juni 2018 eine Witwenrente der Deutschen Rentenversicherung R1 (DRV). In dem an die spanische Anschrift adressierten, an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelten Bewilligungsbescheid der DRV vom 24. September 2018 wies diese u.a. darauf hin, dass aus der Rente kein Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung einbehalten werde, da von einer gesetzlichen Krankenversicherung im Wohnstaat auszugehen sei. Auf denselben Rentenantrag wurde der Klägerin ebenfalls ab dem 1. Juni 2018 eine Witwenrente der spanischen gesetzlichen Rentenversicherung bewilligt (Rentenbescheid vom 2. Juli 2018). Daneben erhält sie eine Betriebsrente des D1 Rentenservice. Seit dem 1. Juni 2018 ist sie Mitglied in der spanischen Krankenversicherung der Rentner.

Nachdem die DRV die Beklagte im Februar 2019 von den gewährten Witwenrenten informiert hatte, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27. März 2019 unter dem Betreff „Ende Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland“ mit, dass sie „die deutsche Krankenversicherung der Rentner daher rückwirkend zum 31.05.2018 [bei der Beklagten] beendet“ habe. Aufgrund der Gewährung der spanischen Rente sei ab dem 1. Juni 2018 die spanische Krankenversicherung für die Klägerin zuständig.

Mit Schreiben vom 2. April 2019 stellte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, bei der Beklagten einen Antrag auf Aufrechterhaltung ihrer Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung, als Pflichtmitglied oder im Rahmen einer freiwilligen Weiterversicherung und verwies hierzu auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 30. Juni 2011 in der Rechtsstreitsache M1 (C-388/09 ).

Mit (formlosen) Schreiben vom 6. Juni 2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da auf die Klägerin aufgrund der spanischen Rente und des Wohnsitzes in Spanien nur spanisches Recht anwendbar sei.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, mit Bezug der spanischen Witwenrente ab dem 1. Juni 2018 ende nicht ihre Mitgliedschaft, sondern lediglich die Zuständigkeit der Beklagten für die Sachleistungsgewährung der Krankenversicherung, weil diese Zuständigkeit auf den spanischen Träger übergehe. Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung komme hierdurch zum Ruhen. Weil es im spanischen Recht keine Pflegeversicherung gebe, komme eine Aufhebung der Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung gemäß Art. 23 VO (EG) 883/2004 nicht zustande. Es verbleibe bei der bestehenden Pflichtmitgliedschaft zur Pflegeversicherung, weil die in§ 1 Abs. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) genannten Voraussetzungen nunmehr in doppelter Form (spanische und deutsche Mitgliedschaft in der Krankenversicherung) erfüllt seien. Allerdings gehe es ihr, der Klägerin, lediglich um den Antrag auf freiwillige Fortsetzung der Mitgliedschaft zur Pflegeversicherung gemäߧ 26 SGB XI .

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2019 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch gegen den „Bescheid vom 06. Juni 2019...

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