Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Verbrauch des Antragsrechts nach § 109 SGG. Beschränkung auf einen Antrag in beiden Tatsacheninstanzen. Ungleichbehandlung bei Gesundheitsstörungen mit Auswirkungen in mehreren medizinischen Fachgebieten. Gleichheitssatz. sachliche Rechtfertigung durch Regelungssystematik des Beweisrechts. Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung
Orientierungssatz
1. Der Antrag nach § 109 SGG auf Erstattung eines Gutachtens steht grundsätzlich nur einmal in beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung (vgl LSG Stuttgart vom 24.10.2013 - L 6 SB 5267/11).
2. Die hiermit verbundene Ungleichbehandlung der Gruppe von Personen, die Funktionsbeeinträchtigungen auf mehreren medizinischen Fachgebieten haben, gegenüber Menschen, bei denen sich die Funktionsstörungen nur in einer medizinischen Fachdisziplin auswirken, wird durch die Regelungssystematik des Beweisrechts sachlich gerechtfertigt.
3. Zur einzelfallbezogenen Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen in der Anlage zu § 2 VersMedV.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 40.
Der 1958 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und lebt seit 1965 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist verheiratet und Vater zweier Töchter. Er erlangte die Mittlere Reife, erlernte indes keinen Beruf. Eine begonnene Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker brach er nach einem halben Jahr ab. Seit 1977 ist er als Lastkraftwagen (Lkw)-Fahrer tätig. Nachdem das letzte Arbeitsverhältnis aufgrund krankheitsbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber mit Ablauf des Februar 2013 endete, war er arbeitslos. Ab November 2015 trat er eine neue Arbeitsstelle als Lkw-Fahrer im Fernverkehr an. Die Schichtzeiten betragen nach seinen eigenen Angaben dreimal wöchentlich täglich dreizehn Stunden von 6 bis 19 Uhr, zweimal in der Woche erreichen sie je fünfzehn Stunden.
Am 20. Februar 2014 beantragte er erstmals unter Hinweis auf einen Bluthochdruck, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Verkalkungen im Bereich der linken Schulter, eine chronische Bronchitis, eine Adipositas, welche zu einer Schlafapnoe mit der Notwendigkeit eines CPAP-Gerätes geführt habe, sowie die fehlende Kraft in der linken Hand nach der Operation eines so genannten “Schnappfingers„ die Feststellung des GdB. Er fügte verschiedene medizinische Befundunterlagen bei.
Nach dem Entlassungsbericht von Dr. N., Chefarzt der Abteilung Innere Medizin, Schwerpunkt Kardiologie, der Rehaklinik H.-K. über seinen stationären Aufenthalt vom 25. April bis 16. Mai 2013 wurden eine schwer einstellbare arterielle Hypertonie (ICD-10 I10.00), eine hypertensive Herzerkrankung (ICD-10 I11.00), eine Adipositas mit Grad III, Body-Mass-Index (BMI) 42 kg/m² (ICD-10 E66.02), ein fortgesetzter Nikotinabusus (ICD-10 F17.2), ein chronisches Brustwirbelsäulensyndrom (ICD-10 M54.09), der Verdacht auf eine Omarthrose links, eine beidseitige Coxarthrose , der Zustand nach einer Operation des kleinen Fingers der linken Hand wegen Tendovaginitis stenosans im März 2013 sowie der Verdacht auf ein Schlafapnoe-Syndrom diagnostiziert. Seit Mitte November 2012 habe Arbeitsunfähigkeit bestanden. Bei einer Körpergröße zwischen 1,71 und 1,75 m habe der Kläger 130 kg gewogen. Über der Lunge sei beidseits ein deutliches Giemen vernommen worden, sonst habe sich perkutorisch und auskultatorisch kein pathologischer Befund erheben lassen. Die Herzaktionen seien bei einer Herzfrequenz von 60 je Minute regelmäßig und die Töne rein gewesen. Pathologische Geräusche seien nicht festgestellt worden. Der Blutdruck sei mit 140/80 mmHg gemessen worden. Über der Wirbelsäule habe kein Klopfschmerz bestanden. Eine Seitverbiegung der Brustwirbelsäule sei zu erkennen gewesen. Der Finger-Boden-Abstand habe 15 cm betragen. Das Zeichen nach Schober sei mit 10/13 cm gemessen worden. Im Bereich beider Hüftgelenke sei eine stark eingeschränkte Innenrotation aufgefallen. Beide Arme hätten gehoben werden können. Nacken- und Schürzengriff seien noch möglich gewesen. Die Einschränkung habe eher durch die Adipositas bestanden. Der Nervenstatus und die Psyche seien orientierend unauffällig gewesen. Verglichen mit dem Aufnahmebefund habe sich bei der Abschlussuntersuchung eine erkennbare Kräftigung und Besserung der körperlichen Verfassung gezeigt, was vom Kläger auch so empfunden worden sei. Im Langzeit-Echokardiogramm (EKG) seien keine relevanten Herzrhythmusstörungen aufgezeichnet worden. Es habe sich eine gute Frequenzregulation gezeigt. Das Belastungs-EKG sei bis 100 Watt beschwerdefrei möglich gewesen. Ein Hinweis auf eine Belastungskoronarinsuffizienz habe nicht bestanden. Die kapillare Bl...