Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Streitgegenstand. keine Einbeziehung einer vorläufigen Leistungsbewilligung. Absenkung des Arbeitslosengeld II. Verletzung von Pflichten aus dem Eingliederungsvertrag. Ersetzungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
1. Ausführungsbescheide zu einem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz werden weder nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens, noch erledigen sie den ursprünglichen Bescheid (teilweise). Sie sind nur vorläufig und verlieren mit der rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ihre Wirkung.
2. Sind Eingliederungsvereinbarungen durch Verwaltungsakt und durch öffentlich-rechtlichen Vertrag als gleichwertige Handlungsformen anzusehen, sind hinsichtlich der Sanktionierung nach § 31 SGB 2 unterschiedliche Rechtsfolgen ausgeschlossen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Juni 2011 und die Bescheide des Beklagten vom 8. und 9. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2011 insoweit abgeändert, als der Klägerin für Januar und Februar 2011 höhere Leistungen ohne Abzug der Warmwasserpauschale sowie unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von 364 € und um 12 € höherer KdU zu gewähren sind. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage wegen des Bescheids vom 9. November 2011 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Absenkung der Regelleistung bzw. des Regelbedarfs nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum 1. Dezember 2010 bis 28. Februar 2011.
Die 1965 geborene Klägerin bezieht nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bis 30. November 2009 seit Dezember 2009 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt erhielt sie mit Bescheid vom 20. Mai 2010 Leistungen für Juni bis November 2010 in Höhe von 804,53 € (359 € Regelleistung, 374,53 € Kosten der Unterkunft und Heizung ≪KdU≫, 71 € befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II). Nachdem die Klägerin eine ihr am 17. September 2010 vorgelegte Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichnete, erließ der Beklagte am gleichen Tag eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt, welche u.a. die Verpflichtung der Klägerin vorsah, ab 27. September 2010 an der Maßnahme “Aktivcenter„ des Trägers SRH in Mannheim teilzunehmen. Diese Maßnahme umfasste u.a. sozialpädagogische Begleitung, projektbezogene Arbeit, Bewerbungstraining, Berufsorientierung, Jobcoaching und betriebliche Erprobung. Der Verwaltungsakt enthielt folgende Rechtsfolgenbelehrung: “Wenn Sie erstmals gegen die Eingliederungsbemühungen verstoßen (siehe Nr. 2. Bemühungen), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II abgesenkt. … Absenkung und Wegfall dauern drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). …„
Die Klägerin nahm an der Maßnahme nicht teil. Ihren Widerspruch gegen den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid wies der Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2010 zurück.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 hörte der Beklagte die Klägerin zu einem möglichen Eintritt einer Sanktion wegen Nichtteilnahme an der Maßnahme an. Die Klägerin führte aus, sie habe keine Eingliederungsvereinbarung geschlossen und wolle auch keine, entsprechend werde sie auch dem Inhalt nicht nachkommen. Mit Bescheid vom 8. November 2010 senkte der Beklagte das der Klägerin zustehende Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 28. Februar 2011 um 30 vom Hundert der zustehenden Regelleistung - 107,70 € monatlich - unter gleichzeitigem Wegfall des befristeten Zuschlags nach Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 36 € ab. Mit Bescheid vom 9. November 2010 bewilligte er Leistungen für Dezember 2010 bis einschließlich Februar 2011 in Höhe von 625,83 € und für März bis Mai 2011 in Höhe von 733,53 €.
Den Widerspruch der Klägerin gegen den Sanktionsbescheid vom 8. November 2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2011 zurück. Bereits am 10. Februar 2011 beantragte die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) vorläufigen Rechtsschutz (Az. S 10 AS 457/11 ER) .
Am 24. Februar 2011 hat die Klägerin zum SG Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II könne nicht auf Eingliederungsbescheide angewendet werden, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe. Als Sanktionsnorm sei die Vorschrift eng auszulegen. Es liege auch keine Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber habe angesichts der überwiegend ablehnenden Haltung der Instanzgerichte bei zahlreichen Gesetzesänderungen die Möglichkeit gehabt, § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II um Eingliederungsbescheide zu ergänzen. Da dies (noch) ni...