Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Rücknahme eines Bewilligungsbescheides für die Vergangenheit. keine Hilfebedürftigkeit bei verschwiegenem Sparguthaben. Beweislastverteilung. finanzielle Unterstützung durch die Eltern. keine besondere Härte bei der Berücksichtigung von Vermögen für Zeiten der Not
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich trifft die Behörde die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheides. Eine Ausnahme zulasten des Leistungsempfängers kann im Einzelfall dann gerechtfertigt sein, wenn er bei der Antragstellung Angaben zu Sparguthaben unterlassen oder vollständige Kontenbewegungen nicht zugänglich gemacht hat (vgl BSG vom 24.5.2006 - B 11a AL 7/05 R = BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4, RdNr 33).
2. Eine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB 2 liegt nicht vor, wenn Vermögen berücksichtigt wird, das dem Arbeitsuchenden von seinen Eltern für Zeiten der Not übertragen worden ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Rücknahme der Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 7. Februar 2005 bis 31. März 2008 sowie über die Erstattung der in diesem Zeitraum gewährten Leistungen in Höhe von 11.912,81 Euro und den Ersatz der zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung gezahlten Beiträge von insgesamt 4.539,07 Euro wegen der Berücksichtigung von Vermögen.
Die 1978 geborene ledige Klägerin, kroatische Staatsangehörige, verfügt über einen Berufsabschluss als hauswirtschaftstechnische Helferin. Ab 1999 war sie in verschiedenen Aushilfstätigkeiten - wechselnd mit Zeiten der Arbeitslosigkeit - im Catering-Bereich, als Reinigungskraft, als Zimmermädchen sowie als Küchenhilfe tätig. Arbeitslosengeld bezog sie zuletzt vom 10. September bis 14. Oktober 2003 und danach Arbeitslosenhilfe vom 15. Oktober 2003 bis 25. Januar 2004, 7. Februar bis 16. März 2004, 18. August bis 19. September 2004 und 1. bis 15. November 2004. Im Jahr 2004 stand sie vom 26. Januar bis 6. Februar, 17. März bis 25. Mai, 20. September bis 31. Oktober sowie 16. November bis 31. Dezember in Arbeitsverhältnissen. Die Klägerin wohnte in der streitbefangenen Zeit mietfrei bei ihren Eltern E. und I. S.(vgl. ihre Angaben im Zusatzblatt 1 zum Antrag vom 7. Februar 2005 sowie zu den Folgeanträgen).
Am 30. September 2004 beantragte die Klägerin erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; über eine Leistungsgewährung wurde wegen der zwischenzeitlich aufgenommenen Arbeit zunächst nicht entschieden (Schreiben vom 17. November 2004). In dem am 30. September 2004 unterzeichneten Formantrag hatte die Klägerin als Bankverbindung lediglich ihr Girokonto bei der S. Volksbank (Konto-Nr. x.) angegeben; hinsichtlich der Frage, ob sie über Vermögen verfüge, das den Wert von 4.850 Euro übersteige, wurde zunächst das Feld “ja„ angekreuzt, danach jedoch das Kästchen wieder gestrichen und das Kreuzchen bei “nein„ gemacht. Die Richtigkeit der von ihr gemachten Angaben versicherte sie - einschließlich der vorgenommenen Änderungen - unterschriftlich. Am 7. Februar 2005 stellte die Klägerin bei dem Rechtsvorgänger der Beklagten (JobCenter S.; i.F.: Beklagte) einen neuen Leistungsantrag, wobei sie in dem am 9. Februar 2005 unterzeichneten Formantrag wiederum lediglich die Konto-Nr. x. bei der S. Volksbank angab und erneut unterschriftlich bestätigte, dass ihre gemachten Angaben zuträfen. Durch Bescheid vom 11. Februar 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie einen befristeten Zuschlag für die Zeit vom 7. bis 28. Februar 2005 in Höhe von 288,20 Euro sowie vom 1. März bis 31. Juli 2005 in Höhe von jeweils 393,00 Euro monatlich. Wegen Erwerbseinkommens aus einer Beschäftigung vom 11. März bis 26. April 2005 erging der Änderungsbescheid vom 13. April 2005, mit dem (unter entsprechender Aufhebung der bisher ergangenen Entscheidung) für die Zeit vom 1. bis 30. April 2005 76,45 Euro, vom 1. bis 31. Mai 2005 56,45 Euro, vom 1. bis 30. Juni 2005 96,45 Euro und vom 1. bis 31. Juli 2005 393,00 Euro bewilligt wurden.
Am 18. Juli 2005 beantragte die Klägerin die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; in dem am 11. Juli 2005 unterzeichneten Formantrag verneinte sie die Frage nach Änderungen in ihren Vermögensverhältnissen. Durch Bescheid vom 19. Juli 2005 bewilligte ihr die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Januar 2006, und zwar (wegen der zeitweiligen Berücksichtigung eines befristeten Zuschlags) in Höhe von monatlich 393,00 Euro im Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2005 und in Höhe von 367,40 Euro vom 1. bis 31. Oktober 2005 sowie ferner in Höhe von 345,00 Euro im Zeitraum vom 1. Novemb...